Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
keinen. Und ihn schon gar nich.«
»Liebst du ihn?«
»Das tu ich, Stanley. Das tu ich wirklich. Ich weiß nich, warum, und es is auch nich besonders schlau von mir, aber ich lieb ihn eben. Einglich sollt ich ihn mit dem Schlachtbeil um die Ecke bringen, aber das kann ich nich. Er macht mich ganz wahnsinnig, und traurig noch dazu. Er bändelt mit andern Frauen an, trinkt die ganze Zeit dieses Teufelszeug, spielt Karten und würfelt um Geld. Zu nix isser zu gebrauchen.«
»Und warum liebst du ihn dann?«
»Das kann ich dir auch nich sagen, Schätzchen. Ich hab einfach keine Erklärung dafür. Männer haben für alles ihre Erklärungen, und die sind auch nich immer logisch und werden ziemlich schnell wieder über ’n Haufen geworfen. Aber ’ne Frau – ’ne Frau braucht keine Erklärungen. Die macht einfach.«
»Aber du hast doch Angst vor ihm?«
»Das stimmt. Ich lieb ihn, und gleichzeitig hass ich ihn.«
»Liebt er dich?«
»Keine Ahnung, ob er überhaupt irgendjemand liebt. Er liebt ja nich mal sich selber. Und, Mister Stanley – Stanley ... man muss sich selber schon lieben, weil sonst kann man auch für nix anderes Liebe empfinden. Selbst wenn es nur ’ne Blume is oder irgend ’n oller Busch, den man gepflanzt hat. Verstehst du?«
»Ja, Ma’am.«
»Du bist immer so höflich.«
»Und glaubst du, dass er dir wehtun könnte?«
»Ja, das glaub ich. Aber du sollst nich allzu streng mit ihm ins Gericht gehn. Kennst du das, wo die Bibel sagt, dass wir nich richten sollen, damit wir selber nich gerichtet werden?«
»Nein«, sagte ich.
»Na ja, das steht da jedenfalls. Irgendwo. Hat mir zumindest ’n Prediger erzählt, aber er hatte dabei auch die Hand auf meinem Knie, deswegen weiß ich nich, ob das so stimmt. Ich hab zu ihm gesagt: ›Vielleicht meinen Sie’s ja ernst, wenn Sie mir sagen, man soll nich über andere richten; aber jedenfalls mein ich’s ernst, wenn ich Ihnen jetzt sag, Sie sollen die Hand da wegnehmen.‹ Hat er dann auch getan ... Bubba Joe, der hat schon ganz schön was durchgemacht, Mister Stanley.«
»Einfach nur Stanley.«
»Ja, Sir. Die Weißen haben ihn ziemlich bös behandelt.«
»Die Weißen? Wieso denn?«
Rosy Mae lachte. »Ach Schätzchen, du bist einfach goldig. Hast keine Ahnung, wie der Hase läuft. Is auch erst mal besser so, wirst’s schon noch früh genug lernen. Dann siehst du die Dinge anders, und mit ei’m Mal sind die Farbigen alle Nigger.«
»Bestimmt nicht!«
»Dein Wort in Gottes Ohr, Schätzchen. Dein Wort in Gottes Ohr.«
»Was haben sie denn mit Bubba Joe gemacht, Rosy Mae?«
Rosy Mae zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch in einer kleinen weißen Wolke aus, die dann über ihrer Nase hing, aufquoll und allmählich verflog.
»Bubba Joe, der is ’n ganzer Kerl, Stanley. Genau wie du einer sein wirst, wenn du mal groß bist. So wie dein Daddy. Und Bubba Joe wurde wie ’n kleines Kind behandelt. Die Weißen sagen ›Kleiner‹ zu ihm, dabei isser ’n erwachsener Mann. Größer als wie die meisten andern. Er is über eins neunzig groß, wiegt an die hunnertfuffzig Kilo. Stark wie ’n Ochse isser. Und ich sag dir noch was: Er is sogar ’n Kriegsheld.«
»Echt?«
»Allerdings. Er war drüben in Korea, deswegen. Is verwundet worden, seitdem läuft er auch ’n bisschen hüftsteif. Aber wo er dann zurückgekommen is, nach Dallas, haben sie ihm gesagt, er soll im Bus hinten sitzen. Darf nich mit den Weißen zusammen essen. Und weil er so schlecht behandelt wurde, isser selber ganz schlecht geworden, Stanley. Und weil seine Familie schlecht behandelt worden is.
Wie Bubba Joe noch klein war, hat sein Daddy mal ’ne Wassermelone und ’n Huhn geklaut, weil seine Familie mit leeren Bäuchen zu Hause gehockt hat. Das haben die Kluxer spitzgekriegt. Unten am Fluss haben sie sich seinen Daddy geschnappt und ihn windelweich geprügelt. Dann haben sie ihm die Klamotten ausgezogen, ’ne fette alte Wassermokassinotter in ’n Jutesack geworfen und seinen Daddy gezwungen, sein eines Bein in den Sack mit der Schlange drin zu stecken. Den Sack haben sie ihm am Bein und an der Hüfte festgebunden, sodass er ihn nich abschütteln konnte, haben ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt und sind einfach davonmarschiert.«
Mir war, als würde mir jemand mit einem Eiswürfel über den Schädel reiben.
»Was hat er dann gemacht?«
»Na ja, Bubba Joe hat die Geschichte von seinem Vater gehört, und er hat sie mir mal erzählt, wo er gerade ’n guten Tag hatte
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