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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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streunender Hund oder ’n anderes Viech gewesen sein. Vielleicht hat’s ihren Kopf auch zerdrückt wie ’n Kürbis, als der Zug drübergefahren ist. Vielleicht war ihr der Kopf schon abgehackt worden, bevor sie jemand auf die Gleise gelegt hat. Niemand wird den Kopf von Miss Margret noch finden. Aber die Leute sagen, dass ihr Geist nachts dort hinten oft nach seinem Kopf sucht, und das glaub ich, auch wenn ich’s selber nie gesehn hab. Aber ich hör’s von vielen, dass die den Geist gesehn haben.«
    »Wie ist das Feuer ausgebrochen?«
    »Ach, Junge, was weiß denn ich. Ich erinner mich nur, dass das Haus lichterloh gebrannt hat und die arme Jewel Ellen auch.«
    »Du hast sie gekannt?«
    »Hab sie alle gekannt. Meine Mama hat früher die Dreckwäsche von der ganzen Familie gewaschen. Und Miss Margret hat am andern Ende der Stadt gewohnt, in ’nem runtergekommenen Viertel. Weißt du, das hier war früher ’ne ziemlich schicke Gegend. Genau hier, wo jetzt das Autokino steht. Dann sind die Reichen alle weggezogen. Du kennst doch die schönen großen Häuser hinterm Highway?«
    »Ja, Ma’am. Also, ich weiß, dass die da stehen. Ich hab sie mir noch nie angeguckt.«
    »Ich weiß auch gar nich, ob angucken so ’ne gute Idee wär. Wenn ich da rüberschau, komm ich mir vor wie die Frau von Lot in der Bibel, wo sie sich umdreht und auf ihre ganzen schönen Dinge zurückschaut, die sie behalten will, und Gott verwandelt sie in ’ne Salzsäule. Wenigstens hat sie all die Sachen mal gehabt. Ich hab so was nie gehabt. Und werd ich auch nie. Gott braucht mich gar nich in irgendwas zu verwandeln, dafür dass ich zurückschau. Ich hab gar nix, wo ich zurückschauen könnt. Wohn ja bloß in ’ner schäbigen Niggermietshütte. Ich schau nich nach vorn und nich zurück.«
    »Und Margret?«
    »Miss Margret hat drüben hinter den Gleisen gewohnt. In der Gegend leben die armen Weißen, da bei den Sümpfen. Ihr Haus steht ’n bisschen weiter weg von den andern.
    Miss Margret war arm, aber ich hab einglich immer gedacht, dass sie’s ziemlich gut hat. Meine Mama hätte sich ’n Loch in den Bauch gefreut, wenn wir dort hätten wohnen dürfen. Für sie wär das ’n Schloss gewesen. Miss Margret hat ’n Garten gehabt, auch wenn’s nur Sumpfland war, und das Haus war schön weiß gestrichen, und es war so groß, dass sie v’leicht sogar ihr eigenes Schlafzimmer gehabt hat. Und Miss Margret, die war einfach wunderhübsch. Dunkle Haare und dunkle Augen und ganz feine Haut und ’n riesig breites Lächeln, und ’n großen Silberzahn gleich neben den vorderen zwei.
    Ab und zu hab ich sie in der Stadt gesehn. Hatte keinen Daddy, weil der weggelaufen war, als sie auf die Welt kam. So hab ich’s zumindest gehört. Ich glaub, der war irgend ’ne Mischung aus ’m Mexikaner und ’ner Weißen oder so was in der Richtung, und ihre Mama hatte Indianerblut in den Adern.«
    »Dann waren sie also keine richtigen Weißen?«
    »Na ja, für mich als farbiges Mädel waren sie Weiße. Miss Margret sah aus, als würde sie mal ’n Filmstar werden, so hübsch war die. Dieser Zahn hat mir richtig gefallen, obwohl ich nich genau weiß, ob Weiße aus ’m Mädel mit Silberzahn ’n Filmstar machen würden.
    Aber anscheinend war ihre Mutter ziemlich gemein zu ihr. Einglich weiß ich gar nich viel über die Familie, außer dass die kleine Miss Margret nett war. Sie und Jewel Ellen, die waren beide nett. Aber der Bruder von Jewel Ellen, James Ray, der war nich immer so nett. Hat mir mal in den Po gezwickt. Ich bin die Straße langgelaufen, hab die Wäsche von den Weißen nach Hause getragen, damit meine Mama sie wäscht, und er zwickt mich in mein Hinterteil, lacht und sagt, er gibt mir Geld, damit ich ihm ’n Gefallen tu. Ich hab bloß gemacht, dass ich fortkomm.«
    M für Margret und J für James, dachte ich. Ein Teil des Rätsels war gelöst.
    »Wohnt James noch in der Stadt?«
    »Nachdem ihr Haus abgebrannt is, sind sie umgezogen, und er is drüben auf dem Hügel aufgewachsen, wo die Reichen sitzen. Ich vermute mal, dass er da jetzt noch wohnt. Ihm gehört ’n großes Geschäft in der Innenstadt, ’n Herrenausstatter mit Anzügen, und noch der kleine Drugstore daneben und das Filmtheater. Farbige können Hamburger und ’ne Limo am Hintereingang vom Drugstore kaufen. Das Kino hat ’n großes Obergeschoss, und von da gucken die Farbigen die Filme. Aber über James Ray selber weiß ich gar nix. Er lädt mich nich unbedingt zu sich zum Abendessen

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