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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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und froh war, mich bei sich zu haben. Also so ging’s dann weiter: Sein Daddy hat beschlossen, dass er ja nich einfach im Wald bleiben kann, bis er oder die Schlange stirbt. Deswegen hat er versucht, nach Hause zu laufen. Erst ging’s wohl ganz gut, aber dann is die Schlange im Sack nach unten gerutscht, und er is auf sie draufgetreten, und sie hat sich mit den Fängen in der Jute verhakt. Da dachte er, wo die Schlange jetzt festhängt, kann er ja in Ruhe weiterlaufen, und ’ne Zeit lang hat das auch geklappt. Aber dann konnte die Schlange sich befreien und hat Bubba Joes Daddy ins Bein gebissen, und wie er zu Hause ankam, da hatte sie ihn schon drei, vier Mal erwischt.«
    »Ist er gestorben?«
    »Beinah. Aber sie haben ihn zu ’nem Farbigen gebracht, der die Pferde und so behandelt, wenn sie krank sind, und der hat ihm das Bein abgeschnitten, weil’s schon pechschwarz angelaufen war und so dick wie ’n alter Eichenstamm. Bubba Joes Daddy hat’s überlebt, aber jetzt kann er nix mehr arbeiten. Und er is böse geworden. Von seiner Bosheit hat er einiges an Bubba Joe weitergegeben. Farbige haben guten Grund, böse zu sein, aber bei ’nem farbigen Mann isses oft noch schlimmer, weil er nirgendwo ’n richtiger Mann sein kann außer im eigenen Haus, und dann übertreibt er’s. Er weiß genau, wenn er das Haus verlässt, dann isser einfach bloß wieder irgend’n Nigger. Wenn ’n kleiner weißer Bengel vorbeikommt, muss er vom Bürgersteig runter. Der weiße Bengel kann ihn ›Kleiner‹ nennen, und er muss lächeln und es runterschlucken. Das kann einem ganz schön an die Nieren gehn.«
    »Geht es dir auch an die Nieren, Rosy Mae?«
    »Ja, Schätzchen. Und wie. Aber trotzdem is das alles keine Entschuldigung dafür, dass jemand andern Menschen Unrecht tut. Es gibt ’n Haufen Leute, die unglücklich sind, aber die werden auch nich glücklicher, wenn sie andere dafür leiden lassen. Sonst stimmt was nich mit denen.
    Tja, ich bin fertig mit meiner Zigarette. Wir sollten wieder runtergehn und sehn, ob wir irgendwas tun können außer ’n Feuer legen und ’ne Bank ausrauben.«
    »Rosy Mae? Weißt du irgendwas über das Haus, das früher da hinten stand, wo jetzt die Bäume wachsen?« Ich zeigte auf das kleine Kiefernwäldchen hinter dem Autokino.
    »Das Grundstück da, das hat den Stilwinds gehört, ’ner großen, wichtigen Familie. Die tun auch immer noch hier am Ort wohnen. Das Haus da is in derselben Nacht abgebrannt, wo jemand der kleinen Miss Margret Wood bös mitgespielt und sie ermordet hat. Und wie es abgebrannt is, is die kleine Stilwind, Jewel Ellen, mitverbrannt. Kaum zu glauben, wie schnell die Kiefern danach in die Höhe geschossen sind. Das war, warte mal, neunzehnhundertvierundvierzig. Die alte Eiche da, ein paar von den Buchen und die Amberbäume da hinten, die waren natürlich schon vorher da. Die stehn schon, so lang ich denken kann. Sind halt bloß größer geworden.«
    »Wer war Miss Margret?«
    »Na ja, sie war damals ’n junges Mädel, ungefähr fuffzehn. Ich glaub, sie und ich waren zu der Zeit, wie diese Sache passiert is, so ziemlich gleich alt.«
    »Wer hat sie ermordet?«
    »Das weiß niemand.«
    »Ist sie in dem Haus ermordet worden?«
    »Wie kommst du denn auf so was? Miss Jewel Ellen is in dem Haus umgekommen, bei dem Feuer. Miss Margret is hinten bei den Bahngleisen umgebracht worden. Jemand hat ihr was sehr Schlimmes angetan. Und, Mister Stanley, was das genau war, da reden wir nich drüber. Das is kein Thema für uns zwei beide. Aber ich kann dir sagen, jemand hat sie mit ’m Kopf auf die Gleise gelegt, und dann kam ’n Zug und is drübergefahrn. Heißt es jedenfalls. Ihren Kopf haben sie nie gefunden. Angeblich wandert ihr Geist immer noch dort rum, wo die Schienen ganz nah am Wald langgehn. Da wurde sie nämlich auch ermordet. Mir hat mal ’n Mann erzählt, dass er dort ’n alten streunenden Hund gesehn hat, mit Miss Margrets Kopf im Maul. Aber das hätt auch ’n Wolf sein können. Oder ’n Wolfsmensch.«
    »Ein Wolfsmensch?«
    »Mister Stanley ...«
    »Stanley.«
    »Stanley, ja. Weiße glauben nich an so Sachen, und viele Farbige auch nich. Aber wenn du mich fragst – es gibt eben Männer, die sich in Wölfe und andere Wesen verwandeln können. Das ist dann ’n Wolfsmensch. Genau wie in diesem Film, Der Wolfsmensch . Ich behaupte nich, dass ’n Wolfsmensch den Kopf von Miss Margret hat, ich sag bloß, dass es so einer hätt sein können. Kann genauso gut ’n alter

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