Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
Rosy Mae. Das hab ich dir schon mal gesagt.«
»Na ja, ich hab nix gelernt.«
»Das ist nicht dasselbe.«
»Jedenfalls, ich mag Buster nich besonders.«
»Du hörst dich aber an, als würdest du ihn mögen.«
»Wirklich? Tja, ich tät ihn vielleicht mögen, wenn er nich trinken würde. Ich hatt schon mal ’n Säufer, damit bin ich durch. Abgesehn davon isser eh zu alt für mich. Und Buster, der kann ganz schön gemein sein. Wahrscheinlich nich so schlimm wie Bubba, aber ich hab die Nase voll von gemeinen Männern mit schlechter Laune.«
»Er klingt nicht gerade so, als ob er dich mag, Rosy.«
»Oh, der kann mich schon gut leiden. Das hab ich im Gefühl.«
Rosy Mae wandte sich anderen Aufgaben zu. Ich saß da, trank Limonade und aß Kekse. Dann zog ich das Tarzan-Buch aus meiner Tasche hervor und fing wieder an zu lesen, aber nicht lange.
Ich humpelte hinaus, Nub neben mir. Eigentlich wäre er wohl lieber drinnen im ventilatorgekühlten Zimmer geblieben, aber er folgte mir. Er verfiel immer in einen ganz bestimmten pflichtbewussten Gang, wenn er mich gegen seinen Willen begleitete: rasche Bewegungen, gesenkter Kopf, schwingender Schwanz. Ein Hund mit einer Mission.
Inzwischen war es schon fast dunkel, und bald würde der Film anfangen. Ich stützte mich auf meine Krücken und betrachtete all die Lautsprecherpfosten, die wie winzige Bäume aus der Erde ragten; dann fiel mein Blick auf das Vorführhäuschen und den Zaun am Ende des Grundstücks. Ich dachte an das, was dahinter lag.
Buster saß in meinem Gartenstuhl und hatte seine Cola in der Hand. Quer über den Parkplatz rief er mir zu: »Bist du die alte Hexe endlich losgeworden?«
Ich wollte nicht, dass Rosy Mae hörte, wie er über sie redete. Daher nahm ich meine Krücken und machte mich auf den Weg zu ihm.
»Rosy Mae und ich sind Freunde«, sagte ich.
»Ach ja? Bist du oft zum Kaffeetrinken bei ihr?«
»Sie wohnt bei uns.«
»Wo sperrt ihr sie hin?«
»Sie schläft auf dem Sofa.«
»Ist sie nicht gut genug für ein Bett?«
»Wir haben kein freies Bett mehr. Sie bleibt bei uns, bis sie was anderes findet.«
»Wie kommt’s, dass sie bei euch wohnt?«
Ich fand, dass ihn das nichts anging, also antwortete ich: »Sie hat eben gerade keinen anderen Platz zum Wohnen.«
»Wenn du behauptest, ihr zwei wärt Freunde, dann meinst du damit, dass sie dich bedient und sich um dich kümmert. Aber das macht euch noch lange nicht zu Freunden.«
»Das ist ihr Job. Sie kriegt Geld dafür.«
»Wie viel?«
»Weiß ich nicht.«
»Ich wette, sie kriegt noch nicht mal halb so viel, wie eine weiße Frau für so ’ne Arbeit kriegen würde.«
»Ich kenne keine weiße Frau, die so eine Arbeit macht.«
»Das stimmt allerdings. Denk mal drüber nach.«
»Na ja, ich muss wieder zurück.«
Ich wandte mich zum Gehen, und Nub, der sich wieder einmal hingelegt hatte, erhob sich. Dabei schien er irgendwie zu seufzen, als wolle er sagen, ich solle mich endlich mal entscheiden.
»Hey, ich hab Geburtstag. Ich könnt ein bisschen Gesellschaft gebrauchen. Der Hund da, der hat schon was, so wie der dir überall hinterherläuft.«
»Das ist Nub«, sagte ich. »Er ist ein guter Hund.«
»Ja, er scheint in Ordnung zu sein. Geht doch nix über ’nen guten Hund, was?«
»Ja, Sir.«
»Was ist mit deinem Bein passiert?«
Ich erzählte es ihm. Von der alten Villa der Stilwinds erwähnte ich nichts, aber als ich fertig war, sagte er: »Klingt ganz so, als hätte dir das Haus oben auf dem Hügel einen riesigen Schreck eingejagt. So riesig, dass du genau vor ’nen Lastwagen gefahren bist.«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Nein, aber ich seh’s dir an der Nasenspitze an. Alle sagen, dass es in dem Haus spukt. Die Kinder glauben das auch. Stimmt aber nicht. Soll ich dir verraten, was du da gesehn hast?«
»Ich hab nicht behauptet, dass ich irgendwas gesehen hätte.«
»Du hast die alte Mrs Stilwind gesehn. Sie ist verrückt. Haut immer aus dem Altenheim ab, wo sie wohnt, und läuft zum Haus. Niemand hat’s besonders eilig, sie wieder zurückzuholen. Die wissen ja, wo sie ist. Sobald’s ihnen in den Kram passt, gehn sie hin und nehmen sie wieder mit. Sie kommt von hinten an das Haus ran, wo der Wald steht. Da gibt’s einen Pfad, der direkt zum Altenheim führt. Das hast du nicht gewusst, stimmt’s?«
»Sind Sie sicher?«
»Ich kenn ein paar Farbige, die im Altenheim arbeiten. Wischen weiße Ärsche sauber und lassen sie ihre Suppe schlürfen. Die haben mir das
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