Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
manchmal durch die Juke Joints zieht und Blues spielt. Ist ein Cousin von mir, und außerdem arbeitet er als Hausmeister in der Polizeiwache, in der Highschool und bei der Zeitung. Schnappt immer überall ein bisschen was auf. Die Weißen achten oft nicht drauf, ob ein Farbiger zuhört. Jukes hat gesagt, als die Bullen die verbrannte Leiche von dem Mädel gefunden haben, war Draht um ihre Handgelenke und Knöchel gewickelt.«
»Draht?«
»Jemand hat sie ans Bett gefesselt, Junge.«
»Sind Sie sicher?«
»Nein, sicher bin ich nicht. Jukes hat’s beim Putzen gehört. Wenn da was dran sein sollte, dann hat bisher niemand was deswegen unternommen oder was dazu gesagt, weil es ein schlechtes Licht auf die Stilwinds werfen würde, und mit reichen Leuten will sich’s niemand verscherzen.«
»Die glauben, dass einer von den Stilwinds sie ans Bett gefesselt und das Haus in Brand gesteckt hat, während sie noch drin war?«
»Die ganze Familie war noch drin, bloß dass alle es nach draußen geschafft haben außer dem jungen Mädel. Sie ist verbrannt, weil das Feuer in ihrem Zimmer ausgebrochen ist und sie nicht raus konnte. Das behauptet zumindest Jukes. Keine Ahnung, ob er’s richtig verstanden hat oder ob er’s mir richtig erzählt hat. Aber angeblich konnte man sie schreien hören, als die Bude abgefackelt ist. Muss wie ein verwundeter alter Panther geklungen haben. Ihre Mama hat versucht, sie rauszuholen. Aber die Flammen waren zu hoch. Die Leute haben sie zurückgehalten, sonst wär sie einfach ins Feuer gerannt und am Ende selber verbrannt.«
»Wenn die Polizei denkt, dass es einer von den Stilwinds war, warum verhaften sie sie dann nicht?«
»Keine voreiligen Schlüsse, Kleiner. Vielleicht könnt’s ja einer von den Stilwinds gewesen sein, mehr heißt das nicht. Wenn sie einen von denen verhaftet hätten, wär die ganze Polizeimannschaft über Nacht ausgewechselt worden. Damals waren die Stilwinds sogar noch mächtiger als heute, weil die Stadt noch so klein war und alles Geld durch ihre Hände geflossen ist.«
»Warum sind die Stilwinds nicht oben auf dem Hügel geblieben, nachdem sie dort hingezogen sind? Warum sind sie weggegangen?«
»Angeblich wurde das Haus vom Geist des verbrannten Mädchens heimgesucht. Die Leute sagen, dass der Geist ihnen bis rauf zu dem Haus gefolgt ist. Hier unten wollten sie kein neues Haus bauen, weil sie die bösen Erinnerungen loswerden wollten. Deshalb hatten sie sich auf dem Hügel was Neues gebaut. Meiner Meinung nach waren’s aber die Erinnerungen, die ihnen auf den Hügel gefolgt sind, keine Geister. Sie sind nicht weit genug weggegangen. Vielleicht können sie gar nicht weit genug weggehen. Oft sind Geister nix weiter als böse Erinnerungen, Sohn.«
»Was glauben Sie, wer von den Stilwinds das Feuer gelegt hat?«
Buster lachte. »Du bist mir ja einer, Junge. Ich hab dir doch gesagt, niemand hat irgendwelche Beweise dafür, dass es überhaupt einer von denen war ... aber ein paar Gedankenspiele schaden wohl niemand. So eine Frage muss man immer aus allen Winkeln betrachten. Viele dachten, es wär James gewesen, weil er noch so jung war und vielleicht mit Feuer rumgespielt hat. Aber er war schon ein Teenager, zum Teufel, so naiv kann er gar nicht mehr gewesen sein. Und wenn es seine Schuld war, warum hat er seine Schwester festgebunden? Einfach aus Gemeinheit? Eifersucht? War er wütend auf sie? Wer weiß das schon. Eine Familie ist wie ’n Fenster mit ’ner Gardine davor. Manche Leute binden die Gardine immer beiseite. Die meisten ziehen sie manchmal auf und manchmal zu, und wieder andere ziehn sie nie auf, sodass man einfach keinen Blick reinwerfen kann. Deswegen wissen Außenstehende wie wir nie wirklich, was in ’ner Familie los ist.
Also, wen haben wir denn noch. Da gab’s eine große Schwester, aber die ist weggezogen, bevor das alles überhaupt passiert ist. Niemand glaubt, dass es die Mutter war, weil die ja hinterher so gelitten hat. Nachdem sie hoch auf den Hügel gezogen sind, hat sie angeblich ihre Tochter nachts am Fußende von ihrem Bett stehen sehen. Brannte lichterloh und hat die Arme nach ihr ausgestreckt. Das war mehr, als die alte Dame verkraften konnte. Hat den Verstand verloren, um nicht ganz draufzugehn.
Dann wär da noch der Vater. Der Alte, auch wenn er nicht so alt ist wie ich. Er ist zu Hause ausgezogen, als seine Frau übergeschnappt ist, und hat sich in ’nem Hotel in der Innenstadt niedergelassen. Im Griffith Hotel.«
»Wohnt der
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