Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
wer es getan hat?«
»Kommt Zeit, kommt Rat.«
In den Zeitungen stand alles Mögliche über die Stilwinds. Welche Gebäude sie gekauft hatten, welche Hochzeiten sie besucht hatten, in welches Land sie gereist waren, eine Bekanntmachung, dass die älteste Tochter nach England gezogen war, allerlei Klatsch und Tratsch, welchen Hilfsorganisationen sie Geld spendeten und so weiter.
Aber nichts, was mir unterkam, schrie nach Mord.
Buster las sich alles gründlich durch und schrieb hin und wieder etwas mit einem dicken Bleistift auf einen Notizblock. »Haben Sie was gefunden?«, fragte ich ihn.
»Kann ich noch nicht sagen. Das Ganze ist wie ein Puzzle. Du findest hier ein Teil, da ein Teil; dann kriegst du was in die Finger, was aussieht, als würde es passen, aber dann passt es doch nicht, und du legst es wieder weg. Allerdings nie zu weit weg. Manchmal muss man ein paar Schritte zurückgehn und das Teil wieder aufheben. Meistens knackt man die Nuss, indem man hartnäckig bleibt. Man klopft hier ein bisschen, da ein bisschen. Man denkt drüber nach. Wenn du ein Bildhauer bist, dann fängst du mit einem Steinklotz an. Und während du daran herumklopfst, landet ganz schön viel Stein auf dem Boden, bis die Statue zum Vorschein kommt.«
»Wir sind aber keine Bildhauer.«
»Stan, das war ein Vergleich. Das darfst du nicht wörtlich nehmen. Eine Metapher.«
»Wenn Sie so reden und solche Wörter benutzen, hört sich alles immer gleich ganz anders an, Buster.«
»Nicht wahr?« Er grinste mich an. »Wie gesagt, irgendwann fügt sich alles ineinander wie die Bolzen bei einem Safe. Du weißt schon, klick, klick, klick. Jetzt steck die Nase in die Zeitungen und streng deinen Grips an.«
Ein paar Stunden später sagte Buster: »Ich mach mal eine kleine Pause und nehm ein bisschen was von meiner Medizin. Wär vielleicht ein guter Zeitpunkt für dich, nach Hause zu laufen.«
Buster ging zu einem der Regale, schob ein paar der Taschenbücher beiseite und holte eine kleine, flache Schnapsflasche dahinter hervor. »Hält mich aufrecht, das Zeug.«
»Soll ich wirklich allein zurückgehen?«
»Hast du Angst, dass die Farbigen dich schnappen?«
»Ein bisschen.«
»Wenigstens bist du ehrlich. Die lassen dich schon in Ruh. Wink den Männern auf der Veranda einfach zu. Außerdem nehmen die wahrscheinlich grad alle ihre Medizin. Was bleibt ihnen sonst übrig, können sie ja kaum jemand anderem verabreichen, sind ja keine Ärzte.«
Ich stand auf.
»Nimm das hier mit und lies es. Das hilft dir, in den richtigen Bahnen zu denken.« Buster gab mir ein Taschenbuch mit dem Titel Die Abenteuer des Sherlock Holmes . »Holmes, der war nicht auf den Kopf gefallen, Junge. Der hat um alle Ecken und Kanten gedacht.«
»Wie denn das?«
»Lies es, dann verstehst du, was ich meine.«
Ich schob das Buch in meine Gesäßtasche, ging hinaus und stieg in den Sattel. Die Fahrt über die verwahrloste Backsteinstraße war ziemlich unbequem. Ich kam an der Veranda vorbei, auf der die Männer gesessen hatten, aber sie waren nicht mehr da.
Ich fuhr weiter, bis die Bäume wieder aufrechter standen und die Backsteine eben waren, vorbei an dem verwüsteten Farbigenfriedhof, vorbei am gepflegten Weißenfriedhof, nach Dewmont hinein und nach Hause.
11
In den darauffolgenden Tagen brachte Buster die alten Zeitungen mit zur Arbeit. Er tauchte mindestens zwei Stunden, bevor er den Projektor anschmeißen musste, bei uns auf. Ich und Nub verbrachten viel Zeit mit ihm im Vorführhäuschen und sahen die Artikel durch. Na ja, Buster und ich jedenfalls. Nub lag auf dem Boden und streckte die Pfoten in die Luft. Er war keine große Hilfe.
Buster und ich vermerkten alle interessanten Details auf Notizblöcken und legten die verzeichneten Artikel beiseite, damit wir sie später schnell wieder zur Hand hatten.
Vormittags, wenn Buster nicht da war, las ich die Geschichten über Sherlock Holmes oder half Rosy beim Lesenlernen. Sie hatte die Filmzeitschriften und Comics hinter sich gelassen und las jetzt Kurzgeschichten aus Moms Magazinen wie der Saturday Evening Post .
Manchmal kam Richard zu Besuch, und wir fuhren mit unseren Rädern zu dem von Bäumen gesäumten Bach und fingen Flusskrebse im schlammigen, flachen Wasser.
Unsere Methode war einfach: Wir banden ein Stück Speck an eine Schnur und rissen die Racker aus dem Bach, wenn sie sich mit den Scheren am Speck festgekrallt hatten.
Richard brachte einen Eimer mit, und an guten Tagen hatten wir
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