Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
das Holzscheit genommen und losgelegt. Hat gesagt, in dem Moment erschien es ihm irgendwie sinnvoll.«
»Haben sie ihn auch erschossen?«
»Nein, er wurde nicht hingerichtet. Die Leute haben beschlossen, dass die Götter oder irgendein indianischer Dämon ihm das Hirn vernebelt hätten. Er wurde freigelassen. Außerdem war er mit einem entstellten Gesicht gestraft; die Kugel hat ihm ein Loch in den Kopf gerissen und sein Hirn gestreift. Der war zu nix mehr zu gebrauchen. Er hat gehumpelt, gesoffen, und wenn er nicht grad auf die Fresse fiel, hat er sich vollgeschissen. Vielleicht wär er mit einem Schuss ins Herz doch besser dran gewesen.
Aber nur weil dieser eine Kerl so völlig ohne Sinn und Verstand drauflosgemordet hat, heißt das nicht, dass das bei allen Mordfällen so ist. Meistens steckt was Bestimmtes dahinter. Geld. Liebe. Oft auch einfach nur falscher Stolz. Zu viel Stolz macht gierig nach Geld, genau wie zu wenig Stolz, und gierig nach Liebe. So Leute vertragen keine Beleidigung. Eigentlich geht es immer nur um Stolz, Junge. Außer wenn jemand schlicht plemplem ist.«
»Steckt bei dem Mord an Margret und Jewel auch was Bestimmtes dahinter?«
»Kann ich noch nicht so genau sagen, aber wahrscheinlich schon. Wir müssen erst mal rausfinden, ob die beiden Ereignisse was miteinander zu tun haben oder ob sie unabhängig voneinander passiert sind. Du weißt schon, ein Zufall.
Wenn sie zusammenhängen, dann gab es einen Grund für das alles. Sobald man den rausgefunden hat, kann man sich von hinten vorarbeiten, oder von vorne nach hinten, je nachdem. Kannst du mir folgen, Junge?«
»So ungefähr ... eigentlich nicht.«
»Weißt du, bei der Zeitung haben sie was, das heißt Archiv. Da kommt alles rein, was vor langer Zeit passiert ist. In diesem Karton liegen Zeitungen aus den Jahren vor dem Mord und nach dem Mord. Das ist bloß die erste Kiste, Jukes besorgt mir noch mehr. Aber mit der hier sind wir erst mal eine Weile beschäftigt.«
»Wonach suchen wir denn?«
»Nach ein paar Sachen, von denen wir wissen, dass wir danach suchen, und ein paar, von denen wir noch nichts wissen.«
»Woran erkennen wir die Sachen, von denen wir nichts wissen?«
»Das hängt von uns ab.«
»Und wovon wissen wir, dass wir es suchen?«
»Wir wissen, dass wir nach allen Informationen über die Stilwinds und über die Woods suchen, also Margrets Familie. Und wenn nur kurz erwähnt wird, dass sie irgendwo hingefahren sind, wir schauen uns das an.«
»Hingefahren?«
»Die Stilwinds. Die haben Geld, Junge. Die sind gereist. Vielleicht steht im Gesellschaftsteil was drüber.«
»Warum interessiert es uns, wo sie hingefahren sind?«
»Vielleicht interessiert es uns auch gar nicht. Aber wir müssen es uns anschauen. Wir müssen alles untersuchen, was irgendwie mit ihnen zu tun hat. Und wir suchen nach allen möglichen Verbrechen, die was gemeinsam haben mit dem Verbrechen, dem wir auf der Spur sind, egal ob sie davor oder danach begangen wurden. Eisenbahnmorde, Menschen, die bei einem Brand umgekommen sind, auch wenn es ein Unfall war. Und dann kriegen wir vielleicht noch ein paar Polizeiberichte, die wir uns anschauen können.«
»Wirklich?«
»Ich muss dir vertrauen können, Stanley. Du darfst das niemand erzählen. Und das mit den Zeitungen behältst du auch für dich, klar?«
»Ja, Sir.«
»Wenn rauskommt, dass ich Jukes dazu gebracht hab, alte Polizeiakten mitgehen zu lassen, tja, dann verliert er nicht nur seinen Job, sondern vielleicht noch das ein oder andere Körperteil. Oder noch schlimmer. Er tut uns hier ’nen Riesengefallen, die Akten von ein paar toten Weißen auszugraben, nur damit wir beide was zu tun haben.«
»Warum macht Jukes denn mit?«
»Weil ich ihm mal aus der Patsche geholfen hab. Steckte ziemlich tief drin.«
»Was haben Sie denn gemacht?«
»Das geht nur ihn und mich was an.«
»Und warum machen Sie mit?«
»Langeweile. Ich wär gern ein Bulle geblieben, Stanley. Aber nachdem die guten alten Zeiten vorbei waren, gab’s für mich als Farbigen keine Möglichkeit mehr dazu. Ich wollte nicht in den Norden ziehen, wo es vielleicht gegangen wär. Da oben ist es kalt. Außerdem sind sie da auch nicht besser als hier. Behaupten sie bloß immer.«
»Wann kriegen wir die Polizeiberichte?«
»Wenn Jukes sie stibitzen kann. Die sind so alt, die vermisst bestimmt keiner. Jedenfalls nicht gleich. Wir müssen sie aber zurückbringen, wenn wir fertig sind.«
»Was machen wir, wenn wir rausfinden,
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