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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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geht’s.«
    Schon nach wenigen Schritten fiel uns auf, dass sich neben uns im Wald, nahe beim Wasser, irgendetwas bewegte. Wir hatten es alle gehört, und als wir stehen blieben, um zu horchen, blieb es – was immer es war – ebenfalls stehen. Ich starrte in den Wald, hinüber zum Wasser, das zwischen den Kiefern hervorschimmerte, aber ich konnte niemanden entdecken.
    Wir schauten einander an, und ohne ein Wort zu sagen, liefen wir weiter.
    Im selben Augenblick setzten sich auch die Schritte neben uns wieder in Bewegung, und diesmal sah ich jemanden zwischen den Baumstämmen. Er lief rasch, aber mit Bedacht, huschte von Baum zu Baum. Als ob das nicht schon genug wäre, hörte ich zu meiner Rechten noch ein Summen.
    Ich drehte mich um und schaute umher. Nichts. Aber ich begriff, woher das Geräusch kam.
    Die Schienen. Sie summten, weil ein Zug kam.
    Callie warf mir einen Blick zu, der mir verriet, dass sie nun endlich und wahrhaftig Angst hatte. »Geh schneller«, sagte sie.
    Wir erhöhten unser Tempo. Genau wie unser Begleiter in den Bäumen. Und er kam immer näher zum Waldrand, näher zu uns. Hinter uns leuchteten die Scheinwerfer der Zuges auf und erhellten die Nacht wie ein zweiter Mond. Die Lokomotive stieß einen Pfiff aus, und mir blieb beinahe das Herz stehen.
    »Lauft!«, rief Callie. Wir fingen an zu rennen. Wer oder was auch immer neben uns im Wald war, rannte ebenso; je schneller wir wurden, desto schneller wurde auch das Ding da drüben.
    Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, wie ein Mann zwischen den Bäumen hervorbrach und hinter uns herspurtete. Sofort war mir klar, dass es Bubba Joe sein musste. Seine massige Gestalt hob sich deutlich vor dem Scheinwerferlicht des Zuges ab. Die Krempe seines Hutes klappte hoch, und der Mantel flatterte hinter ihm im Wind wie die Fetzen eines Gespenstergewandes.
    Der Zug zischte und schnaufte, Funken stoben, die Pfeife gellte, sodass jeder entlang der Schienen wusste, die Bahn näherte sich rasch und würde bald die Bockbrücke überqueren.
    Als die Lok fast auf unserer Höhe war, rief Callie völlig außer Atem: »Wir müssen über die Gleise. Sonst kriegt er uns.«
    Sie sprang auf die andere Seite und segelte mit ihren langen Beinen durch die Luft wie ein Grashüpfer. Ich folgte ihr. Richard kam uns hinterher, und kurz darauf rauschte der Zug an uns vorbei. Der Windstoß blies mir das Hemd im Rücken hoch und zauste an meinen Haaren. Der Zug jagte weiter, quietschte funkensprühend über die Gleise und füllte unsere Nasen mit dem Gestank von verschmortem Öl und heißem Stahl.
    Unser Verfolger saß auf der anderen Seite der Schienen fest.
    Ich drehte mich um und sah, dass sich der Zug schier endlos durch die Wälder wand. Er würde noch eine Weile an uns vorbeirattern, bevor der letzte Waggon kam. Ich beugte mich vor und schnappte nach Luft. Beinahe wurde mir schlecht. Wir waren dem Tod nur knapp entronnen. Ich wollte Callie packen und sie verprügeln, und dann wieder wollte ich sie packen und küssen, denn wenn wir nicht auf die andere Seite gesprungen wären, hätte Bubba Joe, oder wer immer der Mann war, uns unweigerlich erwischt. Ich weiß nicht, was er dann mit uns angestellt hätte, aber er hätte uns erwischt.
    »Ich glaube, das war Bubba Joe«, sagte ich.
    »Vielleicht war es nur irgendein Landstreicher«, erwiderte Callie und holte tief Luft.
    »Ich scher mich einen Dreck drum, wer das war«, sagte Richard. »Ich geh jetzt nach Hause, und es ist mir auch egal, ob Daddy mich erwischt und mich verprügelt.«
    Wir gingen los, fingen kurz darauf wieder an zu rennen, und bald liefen wir über den Pfad im Wald, und der Wind und die umherwirbelnden Blätter folgten uns bis zurück zur Sägemühle. Dort hielten wir an, um zu Atem zu kommen. Ich sah auf zu der metallenen Hängeleiter, die zum oberen Stockwerk dessen führte, was von der Sägemühle noch übrig war, und ich hörte die Rinne im Windhauch knarzen und schwanken.
    Wir holten unsere Räder. Richard fuhr nach Hause. Callie und ich ebenso.
    Schweigend stellten wir unsere Fahrräder ab, schlichen ins Haus, besprachen kurz in meinem Zimmer, was wir getan und erlebt hatten. Schließlich übermannte Callie die Erschöpfung, und sie ging schlafen.
    Die ganze Nacht lag ich wach und spähte durch den Spalt zwischen Fenster und Ventilator hinaus. Ich hielt nach Bubba Joe Ausschau, doch ich sah ihn nicht, und als die Sonne aufging, war ich zu müde, um weiter hinauszulugen, und schlief ein.
    Es war

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