Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
fressen.«
»Ja, aber sie sind nicht groß genug, um Kinder zu fressen«, sagte sie.
»Meistens frisst der König der Frösche sie selber auf. Er hat eine Krone auf dem Kopf und sieht aus wie ein großer schwarzer Mann, der sich hinhockt wie ein Frosch. Er ist kein richtiger Mensch, aber auch kein richtiger Frosch, sondern irgendwie beides.«
»Vielleicht würde Chester einen schönen weißen Frosch als Ergänzung zu dem schwarzen Frosch abgeben«, überlegte Callie. »Dann könnte er die Königin der Frösche sein ... Meinst du, du kannst mir diesen Froschzauber besorgen, Richard?«
»Ich dachte, du magst Chester nicht«, warf ich ein.
»Tu ich auch nicht. Glaubst du, ich würde ihn in einen Frosch verwandeln wollen, wenn ich ihn mag?«
»Die Frau von dem Farbigen hat ihn in einen Frosch verwandelt«, sagte Richard. »Hat sie ihn auch nicht gemocht?«
»Hinterher jedenfalls nicht mehr«, erwiderte Callie.
»Pschschscht«, machte Richard. »Das ist ihr Haus.«
»Wessen Haus?«, fragte ich.
»Ihr Haus. Margrets Haus. Das Mädchen, dem der Kopf abgefahren wurde. Das jetzt ein Geist ist.«
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Eigenartige Vorstellung, dass ich vielleicht gerade da entlanglief, wo sie früher immer entlangspaziert war.
Zwischen den Baumstämmen, hinter einem modrigen Tümpel, schimmerte ein kleines weißes Holzhaus durch. Das Mondlicht schien erbarmungslos auf die Schindeln, sodass sie fast leuchteten.
In der Ferne standen noch mehr von diesen kleinen klapprigen Häusern. Eine ganze Armeleutesiedlung verbarg sich hier im Wald.
»Ihre Mutter wohnt immer noch hier. Daddy sagt, sie ist mit einem Nigger ... einem Farbigen zusammen. Ich hab gehört, sie ist eine Nutte.«
»Man hört so einiges«, meinte Callie.
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, die Leute erzählen sich alles Mögliche, aber das bedeutet noch lange nicht, dass irgendwas davon – geschweige denn alles – wahr sein muss.«
»Jedenfalls ist das ihr Haus. Da hat Margret gewohnt. Die Leiche mit dem abgetrennten Kopf wurde irgendwo hier gefunden, also gar nicht weit weg von ihrem Zuhause.«
»Was ist denn das?«, fragte ich.
Unten bei den Gleisen, wo sie eine Biegung um die Bäume und das Sumpfland machten, bemerkte ich einen hellen Punkt. Er hatte keine eindeutige Farbe. Manchmal sah er grün aus, dann wieder golden. Er bewegte sich auf- und abhüpfend auf uns zu, so als würde jemand einen Ball dribbeln. Dann schwankte er von einer Seite zur anderen. Und verschwand. Plötzlich kam er wieder zum Vorschein und bewegte sich weiter auf uns zu.
»Jemand läuft die Schienen entlang«, sagte Callie.
»Und wo siehst du diesen Jemand?«, fragte Richard. »Das ist der Geist. Der Geist von Margret.«
»Mit einer Taschenlampe?«, erwiderte Callie zweifelnd.
Das Licht wippte auf und ab, überquerte die Gleise, stieg ein Stück auf, machte einen Schlenker in den Wald hinein, hing über dem modrigen Wasser, kehrte wieder zu den Gleisen zurück und näherte sich uns.
»Wenn es eine Taschenlampe ist«, sagte ich, »dann ist derjenige, der sie trägt, ganz schön zappelig. Und ganz schön gelenkig. Und er kann über Wasser gehen.«
Die Härchen in meinem Nacken und auf meinen Armen stellten sich auf, und ich spürte, wie meine Kopfhaut sich zusammenzog.
Das Licht tänzelte die Schienen entlang, an uns vorbei.
»Was ist das nur?«, fragte Callie.
»Ich hab’s euch doch gesagt«, antwortete Richard. »Das ist Margret. Der kopflose Geist. Sie läuft mit einer Leuchte herum und sucht nach ihrem Kopf.«
»Wo bekommen Geister Leuchten her?«, fragte Callie. »Gehen sie in ein Geschäft und fragen nach einer Lampe? Kaufen sie Geisterlampen?«
Ich schaute Callie an. Sie redete lässig daher, aber ich kannte sie lange genug, um zu wissen, dass auch ihr nicht ganz wohl bei der Sache war.
Wir beobachteten, wie das Licht über die Gleise huschte, in den Wald hineinflitzte und zwischen den Bäumen und auf dem Wasser herumstreifte. Dann war es plötzlich verschwunden.
Ich merkte, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. »Keine Ahnung, ob das wirklich ein Geist war«, sagte ich. »Aber Geist hin oder her, ich hab genug. Lasst uns nach Hause gehen.«
»Wir können ja auf dieser Seite der Gleise laufen«, schlug Callie vor. »Dann sehen wir es vielleicht noch mal.«
»Ich will’s gar nicht noch mal sehen«, sagte Richard.
»Ich auch nicht«, sagte ich.
»Ach kommt schon, seid nicht solche Luschen. Auf
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