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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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haben wir hier einen alten Polizeibericht. Jukes hat ihn mir nicht gleich gegeben, aber als ich in der Zeitung gelesen hab, dass Susan – so hieß sie nämlich – nach London gegangen ist, kam ich sofort ins Grübeln. Hier steht, dass sie fünfzehn Jahre alt war, und dass sie im Januar weggegangen ist. Was sagt dir das?«
    »Es war Winter?«
    »Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Denk mal nach, Junge. Wie alt bist du?«
    »Dreizehn.«
    »Gut. Und was musst du machen, wenn der Sommer vorbei ist?«
    »Wieder zur Schule gehen.«
    »Einen Lolli für unsern Burschen hier. Genau, du musst wieder zur Schule. Erscheint dir das, was ich eben gesagt hab, jetzt in einem andern Licht?«
    »Sie ist mitten im Schuljahr weggegangen ... sie war gezwungen wegzugehen.«
    »Na bitte, da hast du’s. Dann dachte ich mir, wenn sie einfach von der Schule geht, mit fünfzehn, und nach London geschickt wird – was steckt dahinter? Sie muss schwanger gewesen sein. So machen das die Reichen, wenn ihre jungen Töchter einen Braten in der Röhre haben. Sie schicken sie fort, dass sie das Baby woanders zur Welt bringen – oder dass sie es wegmachen lassen. Nun, vielleicht sollte sie ja auch bloß zur Ausbildung nach England. Hätte auch sein können. Reiche Leute wollen oft, dass ihre Kinder ins Ausland gehen zum Studieren. Aber Susan war in der Highschool. Und so ganz plötzlich, drei Jahre vor ihrem Abschluss ins Ausland ... irgendwie eigenartig. Also sag ich zu Jukes: ›Jukes, schau doch mal nach den Polizeiberichten aus dem Jahr, in dem das Mädel weggegangen ist.‹«
    »Wären Krankenhausakten nicht besser? Um herauszufinden, ob sie wirklich schwanger war?«
    »Gute Idee, aber an die komm ich nicht ran. Vielleicht sind sie auch schon längst vernichtet.«
    »Aber was hat die Polizei damit zu tun?«
    »Bisher noch gar nix, aber manchmal muss ich eben nach meinem Bauchgefühl gehn. Ich hab mich gefragt, ob damals nicht vielleicht irgendwas mit Susan passiert ist, weswegen sie sie weggeschickt haben.«
    »Aber warum sollte sich die Polizei darum scheren, ob sie schwanger war?«
    »Und wenn es gar nicht um eine Schwangerschaft ging?«
    »Jetzt komme ich durcheinander.«
    »Das war ja bloß eine Überlegung von mir. Aber ich musste auch noch in eine andere Richtung überlegen. Vielleicht ist ihr irgendwas zugestoßen, was in den Polizeiberichten steht. Was auch immer. Sie könnte zum Beispiel irgendwie überfallen worden sein, und deswegen wollte ihr Daddy sie weit wegschicken. Vielleicht was Kriminelles.«
    »Das könnte es vielleicht gewesen sein.«
    »Aber das war es nicht. Es war eher eine Kombination aus meinen beiden Ideen. Weißt du, Stan, der alte Polizeichef, der hat alle seine Berichte aufbewahrt, wie es sich gehört. Ich an seiner Stelle hätt es wohl genauso gemacht. Wer weiß denn schon, ob das nicht irgendwann alles noch mal ausgegraben wird. Mir kommt’s so vor, als hätt der Polizeichef, Rowan hieß er, einfach seine eigene Auffassung von Gerechtigkeit walten lassen. Farbige haben meistens gleich vor Ort ihr Urteil von ihm verkündet bekommen, genau wie ganz normale Weiße. Nur die Reichen kommen vor Gericht, wenn man sich die Mühe überhaupt macht.«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Buster?«
    Er öffnete den Aktenordner und holte einige Blätter heraus.
    »Das hier hat der Polizeichef persönlich aufgeschrieben. Sind nur seine Notizen. Da steht:
    ›Heute Abend kam Susan Ann Stilwind auf die Wache und sagte, dass jemand sich an ihr vergangen habe. Ich fragte sie, wer, und sie sagte, es sei jemand aus ihrer Familie. Mehr wollte sie dazu nicht sagen, aber sie wollte von zu Hause fort. Ich fragte sie: Wer aus deiner Familie? Aber sie wollte es immer noch nicht sagen. Sie war erst wenige Minuten bei mir, als ihr Vater, Mr Stilwind, dazukam. Er meinte, sie würde herumlaufen und Lügen in die Welt setzen. Dass sie nicht die Wahrheit sage. Dass sie alles nur behaupte, weil er den Jungen verscheucht hätte, der ihr das angetan hätte, und dass sie sich jetzt schäme und so sauer auf ihn sei, dass sie seinen Ruf verderben wolle, indem sie solche Dinge verbreite. Ich habe ihr keine Fragen mehr gestellt. Stattdessen schlug ich ihnen vor, dass sie besser nicht mehr zu Hause bliebe. Dass sie vielleicht für eine Weile woanders hingehen sollte. Mr Stilwind meinte, er würde sich darum kümmern. Da brach sie weinend zusammen. Sie ließ sich nicht von ihm berühren, aber sie ging mit ihm weg, nachdem sie mich mehrmals heftig

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