Ein Feuer Auf Der Tiefe
Kamera weg. »Er sagt nicht viel, Gruppenkapitän. Er läuft noch bestürzter als Ihr Kapitän Trenglets herum. Pham erinnert sich, dass er absolut überzeugt war, das Richtige zu verlangen, aber jetzt kann er nicht herausfinden, warum es richtig war.«
»Hmm.« Etwas spät, um es sich noch einmal zu überlegen. »Was werden Sie jetzt tun? Sie wissen, dass Haugen Recht hat. Es wäre für uns sinnloser Selbstmord, den Pestlern zu ihrem Ziel zu folgen. Ich wage zu sagen, dass es auch für Sie sinnloser Selbstmord ist. Sie werden vielleicht fünfundfünfzig Stunden vor ihnen ankommen. Was können Sie in der Zeit tun?«
Ravna Bergsndot erwiderte seinen Blick, und ihr Gesichtsausdruck brach langsam in gramvolles Schluchzen zusammen. »Ich weiß nicht. Ich… weiß nicht.« Sie schüttelte den Kopf, das Gesicht hinter den Händen und einer Strähne schwarzen Haares verborgen. Schließlich schaute sie auf und strich die Haare zurück. Ihre Stimme war ruhig, doch sehr leise.
»Ich… weiß nicht. Aber wir fliegen weiter. Darum sind wir gekommen. Es könnte immer noch klappen… Sie wissen, dass es da unten etwas gibt, etwas, das die PEST verzweifelt haben will. Vielleicht sind fünfundfünfzig Stunden genug, es herauszufinden und dem Netz mitzuteilen. Und… wir haben immer noch Phams Gottsplitter.«
Euren schlimmsten Feind? Es mochte durchaus sein, dass Pham Nuwen ein Gebilde der MÄCHTE war. Jedenfalls sah er so aus, als sei er nach einer Beschreibung der Menschheit aus zweiter Hand gebaut worden. Doch wie sollte man Gottsplitter von gewöhnlicher Spinnerei unterscheiden?
Sie zuckte die Achseln, als sei sie sich der Zweifel bewusst – und nehme sie hin. »Was werden Sie und die Sicherheitsgesellschaft also tun?«
»Es gibt keine Sicherheitsgesellschaft mehr. Es sieht so aus, als ob alle unsere Kunden vor unseren Augen abgeschossen worden seien. Jetzt haben wir die Besitzerin unserer Gesellschaft getötet – oder zumindest ihr Schiff zerstört, und die Schiffe, die sie unterstützt haben. Wir sind jetzt die Aniara-Flotte.« Das war der offizielle Name, der auf der soeben beendeten Flottenbesprechung beschlossen worden war. Es lag eine Art grimmiges Vergnügen darin, sich mit diesem Namen zu verbinden, mit dem Gespenst aus der Zeit vor Sjandra Kei und vor der Nyjora, aus den frühesten Zeiten der menschlichen Rasse. Denn nun waren sie tatsächlich abgeschnitten von ihren Welten und ihren Kunden und ihren früheren Führern. Einhundert Schiffe auf dem Wege nach… »Wir haben es besprochen. Ein paar wollten Ihnen immer noch auf die Klauenwelt folgen. Manche von den Besatzungen wollen ins Mittlere Jenseits zurückkehren und den Rest ihres Lebens mit dem Töten von Schmetterlingen zubringen. Die Mehrheit will die Rasse von Sjandra Kei von neuem beginnen lassen, an einem Ort, wo wir nicht bemerkt werden, wo es niemanden kümmert, ob wir leben.«
Und in einem Punkt stimmten alle überein: dass Aniara nicht weiter aufgespalten werden durfte, keine Opfer mehr für andere bringen sollte. Nachdem das klar war, fiel es nicht schwer, zu entscheiden, was zu tun sei. Nach der Großen Flutwelle war dieser Teil des Grundes ein unglaublicher Schaum von Langsam und Jenseits. Es würde Jahrhunderte dauern, ehe die zonographischen Schiffe von weiter oben brauchbare Karten der neuen Grenzschicht besaßen. Versteckt in den Falten und Fugen lagen Welten frisch aus dem Langsam, Welten, wo Sjandra Kei wiedergeboren werden konnte. Ny Sjandra Kei?
Er schaute quer über die Brücke nach Tirroll und Glimfrell. Sie waren damit beschäftigt, die Haupt-Navigationsprozessoren wieder in Gang zu bringen. Das war nicht unbedingt nötig für das Rendezvous mit der Lynsnar, doch es wäre viel bequemer, wenn beide Schiffe manövrieren könnten. Die Brüder schienen Kjets Unterhaltung mit Ravna nicht wahrzunehmen. Und vielleicht beachteten sie sie nicht. In mancher Hinsicht bedeutete für sie die Entscheidung für Aniara mehr als für die Menschen in der Flotte: Niemand zweifelte daran, dass im Jenseits noch Millionen von Menschen lebten (und wer wusste, wie viel Menschenwelten es vielleicht noch im Langsam gab, entfernte Vettern der Nyjora, ferne Nachkommen der Alten Erde). Doch diesseits des Transzens waren die Dirokime von Aniara die einzigen, die es gab. Die Traumhabitate von Sjandra Kei waren dahin, und mit ihnen die Rasse. An Bord der Aniara befanden sich mindestens eintausend Dirokime, Paare von Schwestern und Brüdern, auf hundert Schiffe
Weitere Kostenlose Bücher