Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
Tisch Ihrer Ladyschaft hatten sie mit einer auserwählten Gruppe anderer Gäste das Dinner eingenommen, jetzt jedoch hatten die Damen die Herren ihrem Portwein überlassen. Damen aller Altersstufen waren vertreten, angefangen von der altehrwürdigen Lady Swanley bis hin zu ihrer siebzehnjährigen Enkelin. Man verteilte sich auf die Sofas und Stühle in angenehm kleinen Grüppchen und ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach, nämlich sich über das heutige Geschehen auszutauschen.
Entspannt antwortete Clarice auf die Fragen zu ihrer Person und die kursierenden Bemerkungen über sie, erzählte von ihrem Leben auf dem Lande und den Romanzen ihrer Brüder. Eher vorsichtig äußerte sie sich zu ihrer Rückkehr in die Gesellschaft und die Veränderungen, die sich daraus vermutlich ergaben, besonders was Moiras Stellung anging.
»Denn niemand wird daran zweifeln, meine Liebe, dass sie gegen Ihren Erfolg eingenommen sein und ihr Bestes geben wird, Ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.« Lady Swanley nickte ernst. »Sie war immer ein oberflächliches, anspruchsvolles Frauenzimmer. Sie dachte, Ihren Vater zu heiraten, würde ihr den Status bringen, den sie sich wünschte, und so wäre es auch gekommen, wenn sie sich entsprechend benommen hätte.«
»Wenn sie auch nur einen Funken Verstand besäße, meinen Sie.« Henrietta Standish schnaubte abfällig. Sie fing Clarice’ Blick auf. »Moiras Vorstellung von dem angemessenen Verhalten einer Marquise beschränkt sich darauf, schrill nach allen Ehren zu verlangen.« Henrietta verzog den Mund. »Es ist ihr nie in den Sinn gekommen, dass man sich Respekt verdienen muss, dann wird einem Achtung entgegengebracht. Und nicht, indem man mit dem Fuß aufstampft und darauf besteht.«
Jeden Abend, wenn sie sich mit der Unterstützung von Jacks Tanten und Lady Osbaldestone in der Gesellschaft bewegte, Schritt für Schritt ihre alte Stellung zurückeroberte, erfuhr Clarice immer mehr von Moiras Fehlgriffen, ihren Schandtaten und erkannte, wie dicht ihre Stiefmutter davor stand, zur persona non grata erklärt zu werden. Es gab Momente, in denen sie fast Mitleid mit ihr hatte oder sich Sorgen um sie machte. Aber dann fiel ihr wieder ein, welches Damoklesschwert Moira drohend über den Köpfen von Alton und Sarah hielt, was sie Roger und seiner Alice angetan hatte, und Clarice schob solch nachsichtige Gefühle als unbegründet beiseite.
Jeden Abend ließ sie sich mit Jack an ihrer Seite in den Ballsälen und Empfangssalons blicken. Dass sie wieder da war und ihre Stellung festigte, fesselte das Interesse der guten Gesellschaft mehr, als sie es sich erhofft hatten. Die meisten Mitglieder brannten darauf, zu erfahren, warum sie zurückgekehrt war, und beobachteten sie genau.
Die Romanzen ihrer Brüder erregten zwar auch Interesse, aber sie wurden – bislang wenigstens – noch nicht so genau unter die Lupe genommen. Nur wenige hatten bislang begriffen, wie ernst ihre Liebesverhältnisse waren. Sobald dies ihnen jedoch klar geworden war, würden die meisten annehmen, die bevorstehenden Hochzeiten ihrer Brüder seien der Grund für ihre Rückkehr.
Im Vergleich war das Gerede über James verklungen, das sie erfolgreich als zu gefährlich, um es zu verbreiten, hingestellt hatten.
Später waren die Herren in Lady Swanleys Salon zurückgekommen, und sie und Jack hatten ihre Runde absolviert, bevor sie zum nächsten Ball weiterzogen, den Helen Abermarle gab, eine von Clarice’ Cousinen.
Clarice lehnte sich in die Polster der Kutsche zurück.
»Ich finde es ziemlich seltsam, dass der Zweig der Familie,
mit dem ich in den vergangenen Jahren so wenig Kontakt hatte, mich so bereitwillig willkommen heißt.« Sie schaute auf die Häuserfassaden, an denen sie vorbeifuhren. »Ich hatte nicht damit gerechnet, so herzlich aufgenommen zu werden.«
Sie hatte laut nachgedacht, eine Angewohntheit, in die sie leicht verfiel, wenn nur Jack anwesend war. Es überraschte sie fast ein wenig, als sich seine Hand fester um ihre schloss.
»Anthony hat mir erzählt, dass besonders die jüngeren Familienmitglieder dich nicht als Schandfleck der Familie betrachten.«
Als sie sich umdrehte, um ihn anzusehen, lächelte Jack über ihre Verwunderung. »Du hast doch nicht allen Ernstes geglaubt, wir platzen hier herein, ohne dass ich vorher herausfinde, was uns erwartet?«
So gesehen… sie neigte den Kopf, sie musste einräumen, dass das, wenn man ihn besser kannte, in der Tat nicht seine Art war.
Weitere Kostenlose Bücher