Ein feuriger Verehrer
Nicht die offene Weite der Wüsten, der Gebirge und der Felder, die ihn, seit die Familie vor ein paar Jahren nach Arizona umgezogen war, tagtäglich umgab. Sondern so vieles Unbekanntes auf überraschend kleinem Raum.
Es gab so vieles, was er sehen, so vieles, was er unternehmen wollte. Während er ein frisches Hemd und eine frische Jeans anzog, schmiedete er schon die ersten Pläne. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, wäre er am liebsten direkt durchgestartet und hätte sämtliche Punkte auf seiner Sightseeing-Liste auf einmal abgehakt.
Als er merkte, dass seine Schwester eifrig Ordnung im Zimmer machte, erklärte er ihr grinsend: »Ich fühle mich ja fast wie offizieller Besuch.«
»Tja …« Sie hatte sämtliche Mord- und Totschlagdisketten, die sie finden konnte, sorgfältig verstaut. Das müsste genügen, sie drehte sich nach ihrem Bruder um und fing urplötzlich an zu blinzeln.
Wow, war alles, was sie denken konnte. In der ersten Freude, ihn zu sehen, hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen, dass aus ihrem kleinen Bruder nicht nur ein erwachsener Mann, sondern vor allem eine echte Augenweide geworden war. »Du siehst gut aus – irgendwie kräftiger als vorher.«
»Das liegt nur an dem sauberen Hemd.«
»Klar. Möchtest du einen Saft oder einen Tee?«
»Äh … am liebsten würde ich sofort losziehen. Auf der Reise habe ich gründlich den Touristenführer studiert. Weißt du, wie viele Museen es alleine in Manhattan gibt?«
»Nein, aber ich wette, du kannst es mir sagen.«
Peabody spannte ihre Zehen in ihren harten Polizistenschuhen an. Ihre Füße, dachte sie, bekämen noch mehr zu tun als sonst. »Ich zieh mich nur schnell um, dann machen wir uns auf den Weg.«
Eine Stunde später war sie über alle Maßen dankbar, dass sie in bequemen, dick besohlten Schuhen, einer dicken, weichen Wollhose und ihrem gefütterten Wintermantel aufgebrochen war. Zeke hatte es nämlich nicht nur auf sämtliche Museen, sondern auf schlichtweg alles, was die Stadt zu bieten hatte, abgesehen.
Er drehte Videos mit dem kleinen Camcorder, den er sich extra für die Reise geleistet hatte und der ihm schon ein Dutzend Mal von Straßendieben geklaut worden wäre, hätte sie ihn nicht davor bewahrt. Egal, wie oft sie ihm erklärte, dass er auf der Hut sein und die Zeichen und die Bewegungen der potenziellen Räuber frühzeitig erkennen musste, lächelte er selbst die fiesesten Gestalten freundlich an.
Sie fuhren auf das Empire State Building hinauf und standen im beißend kalten Wind, bis sie vor Kälte ihre Ohren nicht mehr spürten. Mit leuchtend grauen Augen sog er die Aussicht ein. Danach kam das Metropolitan Museum an die Reihe sowie ein Schaufensterbummel in der Fünften, wobei Zeke ständig voller Bewunderung auf die Touristenflieger starrte, die sich am Himmel drängten. Sie quetschten sich zu unzähligen anderen Leuten auf die Hochgleitbänder und knabberten an alten Brezeln, die er gegen den schwesterlichen Rat an einem Schwebegrill erstand.
Nur ihre grenzenlose Liebe brachte sie dazu, sich auch noch auf die Schlittschuhbahn im Rockefeller Center zu quälen, obgleich ihre Waden infolge des dreistündigen Marsches bereits hart wie Stein waren.
Doch er verdeutlichte ihr, wie es war, sich von New York berauschen zu lassen und alles, was die Stadt zu bieten hatte, tatsächlich zu genießen. Während sie beobachtete, wie er sich mit großen Augen und teils voller Ehrfurcht umsah, wurde ihr bewusst, dass sie selbst völlig vergessen hatte, die Wunder, die sie täglich umgaben, überhaupt zu registrieren.
Selbst dass sie einmal ihre Dienstmarke zücken musste, um einen Typen mit stechenden Augen zu vertreiben, der offenbar die Hoffnung hegte, die angeblich arglosen Touristen ausrauben zu können, verdarb ihr nicht diesen wunderbaren Tag.
Als sie ihren Bruder endlich dazu überreden konnte, eine kurze Pause in einem kleinen Café einzulegen, gab sie ihm allerdings ein paar grundlegende Verhaltensregeln, wenn er sich in der Stadt alleine amüsierte. Denn sobald er nicht gerade Schränke baute, wäre er vermutlich auf Entdeckungstour. Trotz seiner dreiundzwanzig Jahre hatte er sich das naive Vertrauen eines behüteten Kindes bewahrt.
»Zeke.« Sie wärmte ihre Hände an einer Schale Linsensuppe und versuchte nicht an den Soja-Beef-Burger zu denken, der ebenfalls auf der Karte gestanden hatte. »Wir sollten darüber reden, was du tust, während ich bei der Arbeit bin.«
»Dann werde ich Schränke bauen.«
»Ja, aber
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