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Ein fliehendes Pferd

Ein fliehendes Pferd

Titel: Ein fliehendes Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser , Helmuth Kiesel
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vergessen Sie die Mengenangabe. Klaus, begreifst du das? Helmut war immer nur an Qualität interessiert, nie an Quantität, sagte Klaus Buch. Aber ohne genaue Quantitätsangaben kommt doch überhaupt keine Qualität zustande, rief Hel. Iß nicht soviel, sagte Klaus Buch. Dann schaute er auf die Uhr. Mein Gott, bald elf, sagte er. Helmut hätte gern noch ein oder zwei Viertel von diesem Waldulmer getrunken. Aber Klaus Buch stand schon, hatte – für alle – bezahlt. Gab schon, während Helmut noch dagegen protestierte, daß er seine und Sabines Zeche nicht bezahlen dürfe, den Plan für morgen bekannt. Morgens um halb sieben laufen sie, um sieben spielen sie Tennis, vormittags segeln sie, dann essen sie mittag, dann schlafen sie, um drei Uhr haben sie ausgeschlafen, da wollen sie Sabine und Helmut sehen. Wenn natürlich Sabine und Helmut mit ihnen um sieben Uhr ein Doppel spielen wollten, wäre das himmlisch. Helmut lehnte schaudernd, Sabine lächelnd ab.
    Sie hätten Sabine und Helmut gern bis Nußdorf mitgenommen, aber sie seien mit den Rädern da. Helmut fühlte sich verpflichtet zu sagen, er und Sabine freuten sich auf den Spaziergang nach Nußdorf hinaus. Sobald die weg waren, machte er den Vorschlag, mit dem Omnibus zu fahren. Es ging aber keiner mehr. Mißmutig trottete Helmut neben der munteren Sabine nach Nußdorf hinaus. Zum Glück wehte ein heftiger Westwind und brachte Bäume und See zum Rauschen. Dieses einmütige Rauschen mochte er. Leider sprach Sabine fast ununterbrochen. Und zwar von Klaus Buch. Sie fand es zwar auch komisch, daß die schon um sieben Uhr morgens Tennis spielten und den Wein verschmähten und nicht rauchten, aber sonst fand sie die beiden erfrischend. Um Sabine nicht ganz allein zu lassen, sagte er, er sei auch ein bißchen froh, daß sie die beiden getroffen hätten, sonst hätte er an diesem Abend keinen so guten Wein gekriegt. Seine Zigarren hätten ihm noch nie so gut geschmeckt wie in dem Augenblick, als dieser Klaus Buch die von Helmut angebotene Zigarre mit der Bemerkung abgelehnt habe, er dürfe nicht rückfällig werden. Das klang, als sei Rauchen ein Verbrechen, sagte Helmut, und irgendwie hat das Bewußtsein, rauchend ein Verbrechen zu begehen, mir die Zigarre noch voller durch die Adern strömen lassen.
    Das war gelogen. Als er bemerkte, daß die sein Rauchen mit einer erschütternden Teilnahme beobachteten, hatte ihm das Rauchen nicht mehr so geschmeckt wie sonst.
    Einen Augenblick überlegte Helmut, ob er Sabine nicht vorschlagen sollte, daß sie sich beide rasch auszögen und in die Wellen stürzten zu einem kurzen Bad. Das hatten sie schon getan. Aber er fürchtete, Sabine werde diesen Vorschlag für eine Wirkung dieses Klaus Buch halten. Sie hatte ihm vorgeworfen, er sage immer dieser Klaus Buch. Wie sie es, bitte, gern hätte, hatte er gefragt. Der sei doch sein Freund. Gewesen, sagte Helmut. Vom elften bis zum dreiundzwanzigsten Lebensjahr, wie er heute erfahren habe. Das bedeute für ihn nichts mehr. Trotzdem, es sei doch lächerlich, jedesmal dieser Klaus Buch zu sagen, anstatt Klaus. Stimmt, sagte Helmut, sogar sehr lächerlich. Von jetzt an sagst du Klaus, sagte sie. Ja, sagte er, von jetzt an sage ich Klaus. Sabine boxte ihn ein wenig. Sie glaubte offenbar, jetzt seien sie sich einig. Das war ihm recht.
    Da er zuviel gegessen und vielleicht auch zuviel getrunken hatte, fand er keinen ruhigen Schlaf. Auch Sabine lag öfter wach neben ihm. Beide waren überrascht, daß dieser Rotwein sie nicht tiefer betäubte. Helmut sagte, er gehe noch einmal hinüber, etwas nachschlagen. Er setzte sich an den Tisch und schrieb: Lieber Klaus Buch, ich sehe ein Mißverständnis wachsen. Vielleicht ist es schon zu spät. Das wäre verhängnisvoll. Ich muß euch warnen. Sobald jemand freundlich ist zu mir, spüre ich, daß ich nicht mehr so freundlich sein kann, wie ich einmal war. Ich glaube, jetzt scheine ich freundlicher als ich bin. Manchmal tut es mir noch leid, daß ich nicht so freundlich bin wie ich scheine. Wenn jemand zu mir freundlich ist, geniere ich mich wie ein Fleischesser unter Vegetariern. Was alles passiert ist, sage ich nicht. Das hieße ja, um Verständnis werben. Etwas verschweigen kommt mir schön vor. Mein Ideal ist es, ruhig zusehen zu können, wenn man falsch verstanden wird. Dem Mißverständnis zustimmen, das möchte ich lernen. Sogenannte Feinde sogenannten Freunden vorziehen, das möchte ich lernen.
    Helmut hörte auf. Er merkte, wie lächerlich es

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