Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
nicht vorwerfen. Ich stehe zu meiner Vorliebe für Pferde, Glücksspiele und Frauen. Aber niemals würde ich ein Pferd peitschen, damit es eine Hürde nimmt, die zu hoch ist. Ebenso wenig würde ich mich auf ein Spiel einlassen, wenn ich nicht bereit und in der Lage wäre, mögliche Spielschulden zu bezahlen. Vor allem aber würde ich nie falsche Hoffnungen bei einer Frau wecken.“ Er seufzte. „Und das ist etwas, was mein Vater, wie ich gehört habe, in seiner Jugend mehr als einmal getan hat.“
„Dann wollte er Ihnen vielleicht nur ersparen, die gleichen Fehler zu begehen wie er selbst. Mein Vater hat mich in Watte eingepackt, um mich vor Enttäuschungen zu bewahren. Erst kürzlich ist mir klar geworden, dass seine Fürsorge mich beinahe erstickt hat. Unsere Väter – so verschieden sie auch waren – haben beide versucht, über unser Leben zu bestimmen.“
„Der Unterschied ist, dass ich mich dagegen gewehrt habe, während Sie noch immer nach der Pfeife Ihres Papas tanzen.“
Serena biss sich auf die Unterlippe. Ganz unrecht hatte Nicholas mit seiner Bemerkung nicht. „Sie haben sich also der romantischen Liebe, wie beispielsweise Byron sie propagiert, stets verschlossen“, meinte sie ablenkend.
„Byron ist ein Narr! Mit seinen Werken hat er die Liebe in Mode gebracht und die Menschen dazu verführt, an so sinnlose Dinge wie selbstlose Hingabe zu glauben.“
„Nun, für selbstlos halte ich Byron ganz und gar nicht. Ihm scheint es stets in erster Linie um die Erfüllung seiner eigenen Wünsche zu gehen. Auch die arme Caroline Lamb sollte doch nur ihm und seinem Egoismus zu Diensten sein.“ Zornig blitzten Serenas Augen auf. „Wahre Liebe hat nichts mit irgendwelchen Modeströmungen zu tun. Man kann sich weder gegen sie wehren, noch kann man sie herbeizwingen. Manche Menschen lernen sie nie kennen, weil sie nie dem oder der Richtigen begegnen. Andere finden durch die Liebe das große Glück, so wie meine Eltern. Woher wollen Sie wissen, dass es bei Ihrem Vater und seiner zweiten Gattin nicht auch so war? Vielleicht wollten die beiden nur, dass Sie ebenso glücklich werden.“
Er zuckte die Schultern. „Ausgeschlossen! Aber ich gebe zu, dass Sie Ihre Meinung sehr überzeugend und charmant vortragen – was allerdings auch zeigt, wie wenig sie über den Gang der Welt wissen.“
Serena wollte aufbrausen, besann sich aber eines Besseren. Es war sinnlos, mit Nicholas zu streiten. „Sollten Sie die Liebe jemals kennenlernen, dann werden Sie feststellen, dass ich schon jetzt mehr über das Leben weiß als Sie.“
Seine Augen blitzten spöttisch auf, doch er sagte nur: „Es wäre nett, wenn Sie mir noch eine Frage beantworten würden.“
„Ja?“
„Gestern am Fluss hatte ich den Eindruck, dass Sie nichts gegen meine Absicht einzuwenden hatten, unsere …“, er zögerte, „… unsere Beziehung zu vertiefen. Heute hingegen halten Sie mir Vorträge über die Liebe. Könnte es sein, dass ein Missverständnis vorliegt?“
„Ein Missverständnis?“, wiederholte sie fragend.
„Serena, Sie sollten wissen, dass ich Ihnen meine Liebe niemals schenken kann. Ich bin kein Heuchler wie mein Vater. Ich kann Ihnen manches versprechen: dass wir viel Spaß miteinander haben und die Freuden der Leidenschaft bis zur Neige auskosten werden. Aber es wird eine zeitlich begrenzte Idylle sein. Ich werde nicht so tun, als hegte ich tiefe Gefühle für Sie, nur um Ihr oder mein Gewissen zu beruhigen. Wenn wir da fortfahren wollen, wo wir mit dem Kuss gestern aufgehört haben, dann sollten wir das unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen tun.“
Sie senkte einen Moment lang den Kopf. Sie liebte Nicholas nicht. Doch in der vergangenen Nacht hatte sie sich lange unruhig im Bett hin und her gewälzt, weil jener Kuss am Fluss sie bis ins Innerste aufgewühlt hatte. Schließlich hatte sie sich eingestehen müssen, dass Nicholas sie auf eine Art anzog, die sie bisher nicht für möglich gehalten hatte. Von Anfang an hatte er sie fasziniert. Schon als sie ihn beim Boxen beobachtete, hatte sie den Wunsch gespürt, seinen so wunderbar männlichen Körper zu erforschen. Das Verlangen, ihm nahe zu sein und ihn überall zu berühren, war von da an ständig gewachsen. Inzwischen war es so groß, dass sie befürchtete, sie könne darüber alles andere vergessen. Dabei war es doch so wichtig, vernünftig zu sein!
Sie hob den Blick und betrachtete Nicholas’ breite Brust, die schmalen Hüften, die kräftigen Oberschenkel, die
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