Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
dass diese Dokumente vielleicht für immer verloren sind.“
„Ich weiß, dass Sie nie an die Existenz der Unterlagen geglaubt haben“, gab sie gereizt zurück. „Sie helfen mir nur, weil Sie unter Langeweile leiden. Aus dem gleichen Grund haben Sie mich geküsst. Ich bin nicht so naiv, wie Sie glauben. Sie brauchen sich daher keine Sorgen darüber zu machen, ob Sie falsche Erwartungen geweckt haben.“
Er zuckte die Schultern. „Haben Sie einmal darüber nachgedacht, welche Erwartungen Sie bei mir geweckt haben könnten?“
Sie starrte ihn an und spürte, wie eine wilde Wut in ihr aufflammte. „Sie halten mich also noch immer für ein leichtfertiges Frauenzimmer?“
„Keineswegs. Allerdings …“
Ärgerlich unterbrach sie ihn. „Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Sie sind eben ein Mann. Natürlich machen Sie für alles, was Ihnen nicht behagt, das andere Geschlecht verantwortlich. Sie haben Ihr Ziel nicht erreicht und sind deshalb unzufrieden und schlecht gelaunt!“
„Welch ein Unsinn!“, fuhr er auf.
Mit zornig funkelnden Augen standen sie einander gegenüber.
Sonnenstrahlen spiegelten sich im Wasser des Flusses, dessen Plätschern einen Moment lang das einzige Geräusch weit und breit war. Dann fuhr ein Windhauch durch die Büsche, an denen sich die ersten grünen Blätter zeigten. Nicht weit entfernt begann ein Vogel zu zwitschern.
Serena holte tief Luft. Ihr Ärger verflog. „Ich habe Ihnen unrecht getan“, sagte sie. „Es tut mir leid.“
Nicholas zog ihre Hand an die Lippen. „Auch ich möchte um Verzeihung bitten.“ Ihre Worte hatten ihn beschämt. Sie war so viel großzügiger als er.
Rasch entzog sie ihm ihre Finger. „Gut. Lassen Sie uns zum Haus zurückgehen.“
„Ja, gehen wir!“ Galant bot er ihr den Arm.
Etwa um diese Zeit betrat Mr. Mathew Stamppe die Kanzlei der Anwälte Acton und Archer in London. Mr. Tobias Acton persönlich hieß ihn willkommen, führte ihn in sein komfortabel ausgestattetes Büro und bot ihm ein Glas Wein an.
Mr. Stamppe lehnte ab, beantwortete äußerst kurz angebunden die höflichen Fragen nach seiner Gattin und seinem Sohn Edwin und erkundigte sich ungeduldig, warum man ihn um diesen Besuch gebeten hatte.
Tobias Acton musterte den Gentleman, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, unauffällig, aber gründlich. Er war groß und hager mit einem schmalen Gesicht, an dem vor allem die blassblauen Augen und die lange gerade Nase auffielen. Letztere gab ihm etwas Aristokratisches, während seine Gesichtszüge insgesamt eher auf einen schwachen Charakter hindeuteten.
Mathew Stamppe war einfach gekleidet, was wohl daran lag, dass er seit zwanzig Jahren auf dem Lande lebte. Er verwaltete das Anwesen seines Bruders Philip, das sich dank dieser Fürsorge in einem hervorragenden Zustand befand. Tatsächlich hätte Stamppe sich nicht besser darum kümmern können, wenn es sein eigener Besitz gewesen wäre. Ja, manchmal vergaß er, dass er nicht der rechtmäßige Eigentümer war.
Der Anwalt hatte unterdessen eine zugleich ernste und betrübte Miene aufgesetzt. „Ich muss Ihnen leider eine traurige Nachricht übermitteln. Ihr Bruder Philip Stamppe, Earl of Vespian, weilt nicht mehr unter den Lebenden. Er ist vor ein paar Monaten in Paris gestorben, nachdem er bei einem Raubüberfall schwer verwundet worden war. Mein herzliches Beileid, Sir …“
Endlich!
Mit einem schmalen Lächeln korrigierte der Anwalt sich: „… Lord Vespian.“
Stamppe musste sich große Mühe geben, sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. Jetzt war er der rechtmäßige Besitzer all dessen, was seinem Bruder gehört hatte. Jetzt war er der Earl!
Irgendwie gelang es ihm, eine angemessen traurige Miene aufzusetzen. „Tatsächlich kommt der Tod meines armen Bruders nicht gänzlich unerwartet“, sagte er. „Das Leben, das er führte, musste wohl zwangsläufig zu einem solchen Ende führen. Was ich natürlich sehr bedaure. Ich werde mich persönlich darum kümmern, dass ein taktvoller Nachruf in der Zeitung veröffentlich wird. Sein Testament hat er vermutlich bei Ihnen hinterlegt? Dann können Sie mir sicher bei allen Schritten behilflich sein, die jetzt noch notwendig sind, damit der Besitz auf mich übergeht.“
Mr. Acton zeigte leichte Anzeichen von Unbehagen. „Leider, Mylord, muss ich Ihnen mitteilen, dass die Dinge nicht ganz so einfach liegen. Der Letzte Wille Ihres Bruders ist uns nicht bekannt. Als sein Erbe erhalten Sie natürlich die volle
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