Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
man zwischen ihnen und der Kamineinfassung je eine große, reich verzierte schmiedeeiserne Platte angebracht. Auf einer war ein Mann mit einem Blumenstrauß zu sehen. Auf der anderen erkannte Serena eine mit Blütenblättern übersäte Grabstätte.
„Oh!“
„Die letzte Rose des Sommers … Melissa hat das Lied manchmal gesungen. Ein paar melancholische Verse, die meinem Vater vermutlich nur deshalb gefielen, weil er den Dichter persönlich kannte. Das war, ehe irgendwer das Gedicht vertonte. Jedenfalls glaube ich, dass wir das Versteck Ihrer Papiere endlich gefunden haben. Wir müssen nur noch herausfinden, wie man diese Eisenplatten bewegt.“
Sie machten sich daran, die Abdeckungen zu untersuchen. Vorsichtig tastete Serena mit den Fingern erst den Rand und dann die Vorderseite ab. Nichts. Nicholas konzentrierte sich auf die andere Eisenplatte. Leider waren auch seine Bemühungen vergeblich. Enttäuscht schauten sie sich an.
„Moment mal!“, rief Nicholas plötzlich. „Am unteren Rand, da wo die Platte in den Fußboden eingelassen ist, scheint mir etwas nicht richtig zu passen.“ Noch einmal fuhr er mit den Fingern darüber. Und diesmal übte er ein wenig mehr Druck aus.
Plötzlich bewegte sich ein Teil der Eisenplatte. Der dargestellte Grabstein drehte sich nach hinten weg und gab den Blick frei auf einen kleinen Hohlraum, in dem ein Umschlag lag.
„Du lieber Himmel!“ Serenas Stimme schwankte. Sie streckte die Hand aus und nahm den Umschlag an sich. Testament stand in verblasster Tinte darauf. Und Philip Stamppe .
Ungläubig starrte Serena auf die Buchstaben. Dann wurde ihr plötzlich schwarz vor Augen. „Oh …“
Nicholas stützte sie, half ihr auf, führte sie zum nächsten Stuhl und befahl ihr, ruhig sitzen zu bleiben, bis er ihr etwas zu trinken gebracht habe. Gleich darauf hielt er ihr ein kleines Glas Brandy an die Lippen.
Sie nahm einen Schluck und musste husten, weil das Getränk ihr in der Kehle brannte.
„Mehr!“
Sie gehorchte. Jetzt spürte sie die beruhigende Wirkung des Alkohols. „Es tut mir leid, dass ich mich so dumm benommen habe, Nicholas“, murmelte sie. „Es war ein Schock, die Handschrift meines Vaters zu sehen.“
Tatsächlich war er beinahe ebenso schockiert wie sie, denn bis vor wenigen Augenblicken hatte er nicht an die Existenz der Papiere geglaubt.
Dann wurde ihm klar, dass Serena Knightswood verlassen würde, nun, da sie ihr Ziel erreicht hatte. Verflixt, er war nicht bereit, sie einfach gehen zu lassen!
Inzwischen hatte sie sich so weit erholt, dass sie den Umschlag von allen Seiten begutachten konnte. Einen Versuch, das Siegel zu brechen, unternahm sie jedoch nicht.
„Darf ich erfahren, was es ist?“, erkundigte Nicholas sich.
Sie war bereits im Begriff, ihm zu berichten, was ihr Vater ihr über den Inhalt des Testaments erzählt hatte, als sie sich eines anderen besann. Wenn Nicholas erst alles wusste, gab es keinen Grund für ein weiteres Treffen mit ihm. Sie aber wollte ihm auf keinen Fall jetzt schon endgültig Adieu sagen. Also meinte sie nur: „Das Testament meines Vaters und einige Papiere, die meine Identität beweisen.“
„Mir scheint, Sie freuen sich gar nicht so sehr über den Fund.“
„Sie hingegen sind vermutlich überglücklich, weil ich nun nicht mehr Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehmen muss.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie wollen also baldmöglichst abreisen?“
„Das sollte ich eigentlich.“
„Serena?“
Sie schaute ihn an.
„Wenn Sie sich entschließen könnten, noch ein paar Tage zu bleiben, würde ich Sie gern nach London begleiten. Es kann nicht mehr lange dauern, bis ich Nachricht über den Zustand meines Duell-Gegners erhalte. So lange könnten wir gemeinsam die Umgebung von Knightswood Hall erforschen. Reiten Sie? Ich möchte Ihnen ein paar interessante Orte zeigen.“
„Aber …“
Er ließ sie nicht ausreden. „Bitte, sagen Sie Ja! Wir wollen uns morgen früh zu einem Ausritt treffen.“
„Ich sollte mich morgen auf den Weg nach London machen.“
„Warum haben Sie es so eilig? Verschieben Sie Ihre Abreise! Bleiben Sie wenigstens noch einen Tag. Ich verspreche Ihnen, dass Sie ihn genießen werden.“
Serena faltete den Umschlag einmal und steckte ihn in ihr Retikül. Dabei fragte sie sich, warum Nicholas sich mit ihrer ausweichenden Antwort bezüglich des Inhalts so rasch zufrieden gegeben hatte. War er einfach taktvoll, oder interessierte er sich nicht wirklich für sie und ihre
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