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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Spiel gebracht. Nach dem missglückten Überfall auf Hansen war er in aller Herrgottsfrühe bei den Weinbergs reingeplatzt, hatte zum Aufbruch gedrängt. Er befürchtete, dass sie in der Wohnung nicht mehr sicher waren. Hansen musste nur eins und eins zusammenzählen, um einen Informanten in den eigenen Reihen zu vermuten. Krauss traute Straubinger nicht zu, Hansen die Stirn zu bieten. Er würde reden. Es war nur eine Frage der Zeit. Alles hing davon ab, ob Hansen Straubinger verdächtigte. Erst hatten sich die Weinbergs geweigert, aber Krauss war hart geblieben, hatte ihnen drastisch ausgemalt, was mit ihnen geschehen würde. Mit Hannah. Das hatte sie überzeugt. Am Ende war ihnen keine Wahl geblieben. Sie hatten sich nach langen Diskussionen endlich entschlossen, das Land zu verlassen, wollten es aber nicht überstürzen. Krauss gewährte ihnen zwei Stunden, um alles Nötige zusammenzupacken. Am Bahnhof kauften sie drei Fahrkarten nach Hamburg, von dort aus sollte es so bald wie möglich mit dem Schiff weitergehen. Nach Amerika. Ihre beiden Söhne sollten in der sicheren Schweiz bleiben; die Eltern wollten sie nachholen, wenn der Krieg vorüber war. Weinberg hatte für den Fall einer Flucht Geld gespart, aber gehofft, es nicht in Anspruch nehmen zu müssen. Viele seiner Kollegen waren diesen Weg vor ihm gegangen. Weinberg hatte sich ursprünglich vorgenommen, nicht vor dem menschenverachtenden System der Nazis zu kapitulieren. Er hoffte auf Gerechtigkeit. Deshalb war es in den Augen des Arztes eine verheerende Niederlage, seine Heimat verlassen zu müssen, ein Stachel, der ihm tief in die Seele getrieben wurde und niemals aufhören würde zu schmerzen.
    Krauss sah nur die Leben, die dadurch gerettet wurden. Erblieb, bis die Familie unbehelligt in den Zug stieg. Oda bemerkte, wie schwer es ihm fiel, Hannah ziehen zu lassen, weil er nicht mit Sicherheit sagen konnte, welches Schicksal das Mädchen erwartete. Und was es Krauss bedeutete, dass ihm der Arzt zum Abschied die Hand schüttelte, wortlos zwar, aber mit einem Nicken, das mehr besagte als verkrampfte Worte. Krauss hatte den Weg zurück zum Auto geschwiegen, mit seinen Gefühlen gerungen. Das war nicht mehr der kaltblütige Mann, den sie kennengelernt hatte, dachte Oda. Die Allgegenwart des Todes zehrte an seiner Persönlichkeit.
    »Glaubst du, Hansen hat sich Straubinger vorgeknöpft?«, fragte sie.
    Krauss nippte an seinem heißen Tee.
    »Hoffen wir für ihn, dass es nicht so ist.«
    »Du hättest ihn warnen sollen.«
    »Er musste damit rechnen, dass etwas schiefgeht.«
    »Vielleicht machen wir uns unnötig Sorgen.«
    »Ja. Vielleicht.«
    Oda betrachtete wieder die Landschaft. Das Panorama hätte jeden Kitschliebhaber entzückt, mit den schneebedeckten Bäumen und der blütenweißen Lichtung. Das ideale Wetter für einen Spaziergang. Aber dann hätten sie wieder Spuren hinterlassen, auf sich aufmerksam gemacht. Sie war froh, dass draußen alles so unberührt aussah. Es reichte, dass der Kamin qualmte und Licht brannte. Ein aufmerksamer Beobachter würde das registrieren. Die Frage war, ob er es für nötig befand, seine Beobachtungen zu melden. Auch der gestohlene Wagen war nur notdürftig versteckt. Sie hatten ihn zwei Kilometer entfernt am Waldrand stehen lassen und mit Zweigen getarnt. Immerhin würde er nun mit Schnee bedeckt sein. Ihre mitgebrachten Vorräte reichten für ungefähr eine Woche. Oda hoffte, dass Krauss vielleicht ein Reh schießen konnte. Sie hatten den Karabiner dabei, und Krauss war ein sichererSchütze. Es würde ihnen schwer gelingen, sich den Winter über hier zu verbergen. Aber sie glaubte sowieso nicht, dass Krauss das beabsichtigte. Hansen war für ihn zu einer Obsession geworden. Krauss würde keine Ruhe geben, bevor er ihn zur Strecke gebracht hatte. Alles andere war zweitrangig. Vielleicht schaffte sie es, ihn davon abzubringen. Denn Odas Prioritäten hatten sich gewandelt. Natürlich hätte sie Hansen gerne tot gesehen. Aber noch lieber war ihr ein lebendiger Krauss. Jetzt, wo sie ihn so unverhofft wiedergefunden hatte, wollte sie ihn nicht gleich wieder verlieren. Und sie fürchtete, dass das passieren könnte. Hansen paktierte mit dem Teufel. Bisher hatte ihm niemand etwas anhaben können.
    »Wie geht es weiter?«, fragte sie.
    »Komm her«, sagte er.
    Sie setzte sich neben ihn aufs Sofa und bettete den Kopf in seinen Schoß. Er legte den Arm auf ihren Bauch. Oda hatte sich solche Momente sehnlichst gewünscht. Deshalb fiel

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