Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
unüberwindbar schienen, suchten sie sich einen Weg am Ufer entlang, durchs Dickicht. Zwölf Stunden am Tag Plackerei. Pituma packte mit an, er kannte den Fluss und entschied, wann sie es durchs weiße Wasser wagten und wann sie die Muskeln spielen ließen. Als eines der Boote nach einer Woche in einer kniffligen Passage zu kentern drohte, gab Pituma ihnen gestenreich zu verstehen, dass sie zu viel Gewicht mit sich führten. Hansen hätte der Rothaut am liebsten gesagt, sie solle sich um ihren Indianerkram kümmern, aberSchulz-Kampfhenkel ordnete an, die Boote zu erleichtern. Er ließ am Ufer, in geschützter Lage auf drei Meter Höhe, eine Plattform bauen und ein Drittel des Expeditionsgutes dort oben unter einer Plane wasserfest verstauen. Greiner sollte das Material holen, wenn sie das Dorf erreicht hatten.
Abends besaß niemand mehr die Kraft, noch Wache zu stehen, so erschöpft waren alle. Sie schafften es gerade, sich eine Mahlzeit zuzubereiten. Hansen und Pituma nutzten das Zwielicht der Dämmerung für die Jagd, und meist kehrte zumindest einer von ihnen mit Beute zurück. Diese Momente entschädigten Hansen ein wenig für die Strapazen des Tages, aber er fühlte sich trotzdem unwohl, sonderte sich ab von den Männern, blieb oft für sich, suchte sich einen ruhigen Platz für seine Hängematte. Die teils rüden Scherze waren ihm zuwider, das Gebaren in der Gruppe ein Gräuel. Hansen litt unter dem Verdacht, dass die anderen über ihn redeten, wenn er nicht dabei war, und schwiegen, wenn er zu ihnen ans Lagerfeuer stieß. Aber es gab keine offen ausgesprochenen Feindseligkeiten. Solange er seinen Genossen die Bäuche füllte, akzeptierten sie sein Verhalten.
Eines Abends war er, aufgewühlt von der Jagd, noch am Lagerfeuer sitzen geblieben, während die Männer matt in ihre Hängematten sanken. Plötzlich hockte sich Schulz-Kampfhenkel neben ihn und bot ihm einen silbernen Flachmann an.
»Rum aus meiner persönlichen Reserve«, sagte er. »Brugal Extra Viejo, acht Jahre alt, aus der Dominikanischen Republik. Ein edles Tröpfchen. Vertreibt die Piums.«
Hansen griff zu, nahm einen großen Schluck. Der Alkohol brannte köstlich in der Kehle.
»Erstklassig.«
»Weißt du noch, wie wir versucht haben, Vaters Barschrank zu knacken?«, fuhr Schulz-Kampfhenkel fort. »Du hast am Ende den Dietrich im Schloss abgebrochen, und ich habe eshinterher aufs Personal geschoben. Aber der Alte Herr hat mir nicht geglaubt.«
Schulz-Kampfhenkel lächelte versunken ins Feuer.
»Was, meinst du, wäre passiert, wenn wir uns nicht aus den Augen verloren hätten, Heinrich?«
»Dann wären wir Freunde geblieben«, entgegnete Hansen ohne innere Überzeugung.
»Das glaube ich auch«, sagte Schulz-Kampfhenkel. »Deshalb bin ich froh, dass wir uns wiedergefunden haben. Anfangs hatten wir unsere Probleme miteinander, aber mittlerweile weiß ich, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du schießt wirklich großartig, viel besser als früher. Aus dir ist ein Meisterschütze geworden.«
Hansen winkte ab.
»Doch, mach dich nicht kleiner, als du bist. Auch Kahle und Krause schätzen dich, selbst wenn sie es dir nicht immer zeigen. Du bist ein vollwertiges Mitglied dieser Expedition, das wollte ich dir nur sagen.«
Also daher wehte der Wind, dachte Hansen. Schulz-Kampfhenkel wollte den Schaden begrenzen und die Moral verbessern.
»Das ist mir vollkommen klar.«
»Na, dann ist es ja gut.«
Beide schwiegen, schauten in die Flammen, die an einem fast verkohlten Aststück fraßen. Der größte Teil des Feuers war heruntergebrannt. Schulz-Kampfhenkel sprach als Erster.
»Darf ich dich mal was fragen?«
»Nur zu.«
»Was hast du die ganze Zeit getrieben? Wir haben nie darüber gesprochen.«
»Dies und das.«
»Ich verstehe. Du willst nicht darüber reden.«
Hansen schnappte sich einen längeren Ast und stocherte damit in der Glut herum.
»Ich komme mir so dumm neben euch vor. Ein Pilot, ein Flugzeugingenieur, ein Wissenschaftler und Buchautor. Und was habe ich vorzuweisen? Nichts.«
»Red keinen Quatsch. Keiner von uns schießt auch nur annähernd so gut wie du.«
Hansen prustete verächtlich.
»Schießen. Toll. Eine Fähigkeit, mit der ich es noch weit bringen werde.«
Schulz-Kampfhenkel wurde mutiger, befeuert durch den Alkohol.
»Was hast du gelernt, Heinrich?«
Ich habe gelernt, neugierigen Expeditionsleitern aus dem Weg zu gehen, dachte Hansen. Meistens zumindest.
»Nichts, Otto. Alles und nichts. Ich bin ein paar
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