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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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grüne Chaos. Hansen versuchte, Saracomanos Blick zu folgen, sah aber nur das übliche, für seine Augen undurchdringliche Durcheinander aus Farnen, übergroßen Blättern und von Schlingpflanzen überwucherten Baumriesen. Er lauschte. Vielleicht hatte der Junge ein ungewöhnliches Geräusch gehört. Ein Tukan schrie weit über ihnen in den Wipfeln, in der Ferne kreischten Affen. Es knirschte, knackte und stöhnte, als wäre der Dschungel selbst ein gigantischer Organismus, ein urzeitliches Geschöpf, das ab und zu die Glieder regte – aber das waren nur verwachsene Stämme, die sich im Wind aneinanderrieben. Manchmal hörte man ein riesiges Getöse, wenn gewaltige Äste brachen und in den Urwald stürzten. Aber kein Laut deutete darauf hin, was sich vor ihnen befinden könnte. Saracomano nahm aufreizend langsam den Bogen, legte einen Pfeil auf und spannte die Sehne in einer flüssigen Bewegung. Er zielte ins Dickicht. Hansen konnte nichts entdecken. Der Häuptlingssohn ließ die Sehne nach vorn schnellen, der Pfeil schoss ins Grün. Aus dem Busch zischte es bedrohlich, ein langer Schwanz peitschte über den Boden, und der Kopf eines großen, grünen Leguans wurde sichtbar. Der Pfeil hatte das zuvor perfekt getarnte Tier durchbohrt. Ein Meisterschuss, aus Hansens Sicht. Alltäglich für Saracomano. Ein Jäger, der nicht traf, war kein Jäger.
    Der Häuptlingssohn zog sein Messer und ging zu dem Leguan, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Das tote Tier warfer sich über die Schulter. Es hier zurückzulassen und auf dem Heimweg einzusammeln, wäre zu riskant gewesen. Dazu streiften zu viele Räuber durch den Dschungel. Und die Männer wollten auf keinen Fall ohne Beute heimkommen. Das Fleisch war in den vergangenen Tagen knapp geworden. Heute wollten sie deshalb etwas Großes erlegen, am liebsten einen Spießhirsch, auch Mazama genannt. Die rehgroßen Tiere waren schwer zu finden, sehr scheu und extrem vorsichtig. Hansen folgte Saracomano, der trotz seiner Last behände durch den Regenwald lief, vorbei an Bäumen, deren Stamm nicht einmal zwei Männer mit den Armen umfassen konnten, geschickt den wuchernden Lianen ausweichend, auf einem Pfad, der nur im Kopf des Indios zu existieren schien. Wieder hielt der junge Indianer inne, ging in die Hocke, roch an Tierkot. Frische Spuren von einem der so heiß herbeigesehnten Hirsche, gab er Hansen stumm zu verstehen. Der konnte sein Jagdglück kaum fassen.
    Saracomano ließ den Leguan von seinen Schultern gleiten. Jeglicher Ballast würde jetzt nur stören. Sie rannten geduckt weiter, der Häuptlingssohn voran, beide so leise wie möglich. Nach kurzer Zeit stießen sie auf einen schmalen Seitenarm des Jary mit sandigem, offenem Ufer. Eine Wasserstelle für die Tiere des Waldes. Der Sand, das konnte sogar Hansen sehen, war voller Spuren. Hier in der Nähe würde der Hirsch zu finden sein. Sie warteten, legten sich unter einem schützenden Blätterdach auf die Lauer, Hansens Stutzen im Anschlag. Eine Stunde verging, dann eine zweite. Nicht ein Tier ließ sich sehen. Hansen war kurz davor aufzugeben. Er lag in seinem Saft, immer wieder krabbelte es an seinem Körper, und er durfte sich nicht rühren. Doch der Drang, sich zu kratzen, war zu groß. Gerade als seine Hand zum Oberschenkel zucken wollte, berührte ihn Saracomano sacht an der Schulter. Er legte den Finger auf die Lippen. Hansen biss die Zähne zusammen, konzentriertesich auf das Ufer. Ein Hirsch lugte aus dem Schatten des Waldes, taxierte die Lage, witterte vorsichtig. Hansen bewegte keinen Muskel. Der Hirsch schien vorläufig zufrieden mit dem Terrain, denn er tippelte weiter Richtung Fluss. Hansen sah zu Saracomano hinüber, doch neben ihm lag zu seiner Überraschung niemand mehr. Sein Jagdgefährte hatte sich lautlos aus dem Staub gemacht. Verdammt. Diese Scheißindianer waren unberechenbar. Er nahm den Hirsch ins Visier. Sollte Saracomano doch machen, was er wollte. Hansen würde das Tier mit einem sauberen Schuss erlegen. Sein Finger glitt zum Abzug, fand den Druckpunkt. Hansen hörte das Sirren des Pfeils im selben Moment, in dem er sich in die Flanke des Hirschs bohrte, ein Blattschuss. Das Tier schwankte, erzitterte am ganzen Körper und brach zusammen. Saracomano war wieder einmal schneller gewesen. Er stieß ein Triumphgeheul aus und sprang aus seiner Deckung, lief auf den Hirsch zu.
    Hansen vermochte später nicht mehr zu sagen, was ihn nach oben schauen ließ, eine Veränderung des Lichts, eine ungewohnte

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