Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
wir reisen im Auftrag eines noch mächtigeren Papas, des großen Vaters Wissenschaft. Er hat von dem genügsamen Leben der Aparai gehört und will sie näher kennenlernen, ihre Gebräuche und Gewohnheiten studieren. Deshalb sind wir hier, als Kundschafter.«
Aocapoto lauschte den übersetzten Worten. Ob dieser große Vater Wissenschaft einen Bart habe, fragte er. Schulz-Kampfhenkellächelte. Die Männer hatten sich seit Wochen nicht mehr rasiert, trugen allesamt ein dichtes Gesichtsgestrüpp, während den Indianern nur ein paar vereinzelte Haare am Kinn wucherten.
»Ja, er hat einen langen weißen Bart«, sagte Schulz-Kampfhenkel. »Er ist ein sehr weiser Mann, der nie aufhört zu lernen und sein Wissen allen Menschen zur Verfügung stellt, damit sie davon profitieren und schlauer werden. Er interessiert sich für alles auf der Welt, aber er kann nicht überall zugleich sein. Deshalb schickt er uns.«
»Wenn er so alt ist und nicht mehr jagen kann, wer sorgt dann für den großen Vater Wissenschaft?«, fragte Aocapoto. Schließlich seien seine Kinder hier bei ihnen, weit weg von zu Hause.
»Der große Vater Wissenschaft hat viele Söhne«, entgegnete Schulz-Kampfhenkel. »Es bleiben immer genug bei ihm, um ihm zu helfen. Außerdem sind Hansen und Greiner nur seine Neffen.« Er zwinkerte Hansen zu, der erneut Wut in sich auflodern fühlte. Das war mal wieder typisch für Otto und sein Großmannsgetue.
Aocapoto erklärte, dass er zufrieden sei und hoffe, dem großen Vater Wissenschaft alles über die Aparai liefern zu können. Die weißen Männer seien weiter willkommen und dürften sich in allen Fragen an ihn wenden. Nur eines sollten sie bedenken: Nicht lange, und die Regenzeit würde den Jary anschwellen lassen. Dann wäre ihnen für lange Zeit der Rückweg abgeschnitten, und sie müssten auf Monate so leben wie die Aparai. Schulz-Kampfhenkel bedankte sich ergeben. Hansen sah ihn verächtlich von der Seite an. Natürlich wussten die Männer, dass sie bald hier abgeschnitten waren. Das war es ja, was Schulz-Kampfhenkel wollte. So viel Zeit wie möglich mit den Indianern verbringen. Jetzt musste Hansen nur noch herausbekommen, warum.Hansen und Saracomano zogen gemeinsam durch den Busch. Sie waren die Jäger, die Ernährer. Ihre Tage hatten nach mehr als zwei Wochen zu einer gewissen Routine gefunden. Um fünf Uhr am Morgen, eine Stunde vor Tagesanbruch, stand Hansen auf, schnappte sich ein schmales Ubu, ein Indianerkanu, und ruderte hinüber zum Lager der Aparai. Vor der Hütte des Häuptlings wartete er auf Saracomano, um den Schlaf seiner Eltern nicht zu stören; oft genug empfing ihn auch der Junge, bereit zum Aufbruch. Er trug nichts als einen Lendenschurz, in dessen Gürtel ein Messer steckte. Den mannshohen Bogen sowie sechs, sieben Pfeile hielt er in der Hand. Hansen nahm auf der Jagd stets den Mauserstutzen mit, der sich als robust und zuverlässig erwiesen hatte, dazu steckte in einem Holster an der Hüfte ein sechsschüssiger Webley-Revolver. Er hatte die Waffe in Belem gekauft, sie war alt und schwer, aber unverwüstlich. Mit ihr fühlte er sich sicherer, sollte plötzlich eine Giftschlange oder anderes gefährliches Getier vor ihnen auftauchen. Für die kurze Distanz war der Revolver besser geeignet. Selbstverständlich hatte er Saracomano damit schießen lassen; der Junge war gleichermaßen begabt wie begeistert. Hansen plante, dem Häuptlingssohn bei ihrer Abfahrt die Waffe zu schenken, fürchtete jedoch, dass Schulz-Kampfhenkel dies nicht gutheißen würde. Die Aparai sollten von ihnen keine Feuerwaffen bekommen, angeblich, um ihre Entwicklung nicht zu gefährden. Aber auch dahinter vermutete Hansen andere Motive. Der Stamm sollte kontrollierbar, die Weißen dank ihrer technischen Überlegenheit gefürchtet bleiben.
Dabei verhielten sich die Wilden den Weißen gegenüber mehr als aufgeschlossen. Sie hatten sogar Tuntanpone und Pituma, die beiden mittelalten Männer des Dorfes, gemeinsam mit Greiner und ein paar Caboclos auf die lange Reise zurück nach Santo Antonio geschickt, um den Nachschub zu holen.Auf dem Weg ins Lager sollte auch der auf der zusammengezimmerten Plattform verstaute Proviant mitgenommen werden. Alles in allem rechnete Schulz-Kampfhenkel mit einer Reisezeit von mindestens vier, fünf Wochen. Bevor die Regenzeit gegen Ende Januar einsetzte, sollte der Trupp wieder im Dorf sein.
Saracomano bedeutete Hansen mit der Hand, stillzustehen. Der Indianer rührte sich nicht, spähte ins
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