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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Raimundo. »So ein Prachtexemplar bekommt man hier nicht oft zu sehen.«
    »Höchstens, wenn es zu spät ist«, ergänzte Ernesto.
    Sie lobten Hansens Sonntagsschuss und machten sich daran, die Füße des Jaguars zusammenzubinden. Mit dem Hirsch wurde genauso verfahren. Saracomano suchte zwei lange Stöcke, die das Gewicht der Jagdbeute aushielten. Dann wurde jeweils ein Ast durch die Beine geführt und samt Tier auf die Schultern von zwei Männern verlagert. Die Last vor allem des Jaguars war enorm, Hansen schätzte ihn auf gut hundert Kilo. Es würde eine schweißtreibende Plackerei werden, das Tier zurück ins Dorf zu tragen. Raimundo und Ernesto schleppten die Raubkatze, Hansen und der Häuptlingssohn den deutlich leichteren Spießhirsch und den Leguan.
    Im Lager der Indios wurden sie bereits erwartet. Saracomano hatte seinen Leuten von der außergewöhnlichen Begegnung erzählt. Hansen meinte in den Gesichtern der Indianer aber eher Besorgnis zu lesen als Erleichterung darüber, dass einer der Ihren knapp davongekommen war. Alle begutachteten skeptisch die Raubkatze, als hätten die Männer das Böse in ihren Kreis geschleppt. Ernesto und Raimundo legten den Jaguar vor Aocapoto ab. Der Häuptling murmelte ein paar Worte, ließ seine Hand in einem halben Meter Abstand über dem Tier kreisen und fing an, leise zu singen. Hansen kam das albern vor. Was sollte der Zirkus? Sie hatten eine große Katze erschossen, sonst nichts. Aocapoto beendete seine Zeremonie, schaute kurz hinauf zum Himmel und richtete seinen Blick auf Hansen. Der fühlte sich plötzlich unwohl in seiner Haut. Aocapoto sprach ihn direkt an. Raimundo übersetzte.
    »Er bedankt sich bei dir, dass du seinen einzigen Sohn gerettet hast. Dafür steht er lebenslang in deiner Schuld. Und er lobt dein gutes Auge, deine sichere Hand, glaube ich. Du bist ein großer Jäger und bei den Aparai immer willkommen. Nein, er meint, er würde sich freuen, wenn du ein Aparai wärst. Dann müssten sie nie Hunger leiden. Ich verstehe zu wenig, um das fehlerfrei zu übersetzen, tut mir leid. Also, jetzt hat ergesagt, dass er dich auch warnen muss. Der Jaguar wird beschützt von einem starken Geist oder so ähnlich, und dieser Geist ist böse und reißt seinen Feinden bei lebendigem Leib das Herz heraus.«
    Der Häuptling schwenkte seine schwielige Hand vor Hansens Brust hin und her. Langsam nervte ihn dieser Hokuspokus, gleichzeitig beunruhigte ihn die Situation zunehmend. Die Aparai um ihn herum starrten ihn mit finsteren Gesichtern an. Aocapoto redete weiter.
    »Einen Jaguar zu töten, ist ein böses Omen. Jetzt droht Unheil, wobei es wohl nicht gesagt ist, wem und wann. Es kann eine Überschwemmung geben oder eine Dürre, Krankheiten können über sie kommen, oder ein Unfall kann passieren. Der böse Geist des Jaguars hat viele Gesichter, und du musst auf der Hut sein, um ihn rechtzeitig zu erkennen. Aber er will dir helfen, weil du seinen Sohn gerettet hast. Er wird dir etwas geben, was dich vor dem bösen Geist des Jaguars beschützt.«
    Aocapoto nickte und legte Hansen eine Hand auf die Schulter. Er wirkte jetzt wieder versöhnlicher. Aber sein Blick und die Art, wie er ihm leicht die Schulter drückte, vermittelten Hansen ein anderes Bild – Aocapoto hielt ihn für einen Verfluchten, den zu retten ein aussichtsloses Unterfangen war. Hansen schüttelte diese morbiden Gedanken ab. Was wusste dieser fast nackte Waldmensch schon? Er war ein Wilder, degeneriert, in der Entwicklung weit unter ihm stehend. Aocapoto hatte keine Ahnung, was in der Welt vor sich ging. Der Mann glaubte an Geister, das musste man sich mal vorstellen. Hansen drehte sich brüsk ab.
    »Gehen wir«, sagte er und griff nach dem Ast, an dem die Raubkatze befestigt war.
    »Der Jaguar bleibt im Dorf«, entgegnete Raimundo.
    »Ach ja?«
    »Anordnung des Häuptlings.«
    Hansen wandte sich wieder Aocapoto zu, wollte das nicht mit sich machen lassen, aber er sah nur noch, wie der Häuptling in seiner Hütte verschwand. Für den Tuschaua war die Sache vorläufig erledigt. Hansen blieb nichts anderes übrig, als sich dem Willen des Stammesoberhaupts zu fügen. Er zog mit den beiden Caboclos und dem Hirsch ab ins Lager. Seine Zeit würde kommen, dachte Hansen. Die Stunde des Jägers.
    Am nächsten Morgen hatte Hansen keine Lust, seine tägliche Jagdroutine wiederaufzunehmen. Er wollte den Tag im Lager verbringen. Am Abend zuvor war sein Glücksschuss der einzige Gesprächsstoff gewesen, er musste wieder

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