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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Bewegung oder einfach Zufall. Auf einem breiten Ast, drei Meter über dem toten Hirsch und dem Häuptlingssohn, der über seiner Beute kniete, duckte sich ein Jaguar zum Sprung. Hansen hatte keine Zeit mehr zum Nachdenken. Er riss den Stutzen hoch und schoss in dem Moment, als die Raubkatze sich in Richtung ihres Opfers katapultierte. Der Jaguar wurde in der Luft herumgerissen, stürzte hinter Saracomano zu Boden und zuckte dort wild herum. Hansen stand auf. Saracomano blickte auf den sterbenden Jaguar und von dort zu dem weißen Mann. In seinen Augen spiegelte sich das Entsetzen darüber, wie knapp er dem Tode entronnen war, und das Staunen über diesen unglaublichen Schuss seines Gefährten. Hansen lächelte. Na, wer ist hier jetzt der große Jäger?, dachte er.
    Sie gingen beide zu der schwarz gefleckten Raubkatze. DasTier röchelte, die Augen blickten schon ins Leere. Saracomano beugte sich über den Jaguar und strich ihm sacht über das Fell, als wolle er ihn beruhigen. Hansen war befremdet über dieses Verhalten. Hatte die Katze nicht gerade versucht, den Indianer zu töten? Der Häuptlingssohn sprach sanft auf das Tier ein, dessen Flanken zuckten. Dann war es vorbei. Saracomano erhob sich. Er sagte etwas zu Hansen, der kein Wort davon verstand. Aber die besorgte Miene des Indianers gab ihm zu denken. Vielleicht war es nicht so gut, einen Jaguar zu töten, reimte sich Hansen zusammen, auch wenn er sich keinen Grund vorstellen konnte. Zumal er keine Wahl gehabt hatte, wenn er Saracomanos Leben retten wollte. Der Indio betrachtete schweigend ihre Beute. Beide Tiere konnten sie nicht wegschaffen, dazu waren sie zu schwer. Einer musste Verstärkung holen, und das konnte nur Saracomano sein. Hansen würde Stunden brauchen, um den Weg ins Dorf zu finden, vielleicht sogar Tage. Der Indianer schnappte sich Pfeil und Bogen und verschwand im Wald. Hansen blieb allein zurück.
    Er lehnte sich gegen einen Baumstamm und studierte den toten Jaguar. Sie hatten einiges gemeinsam, dachte er. Die Raubkatze war ein Einzelgänger, genau wie er, und sie war ein tödlicher Jäger. Allerdings kannte sie keine Skrupel, kein Gewissen, keine Moral. Darin unterschieden sie sich. Noch, lächelte Hansen in sich hinein. Denn er spürte jeden Tag, wie die Distanz zur Heimat und der Dschungel das ohnehin schwache Gerüst seiner Moralvorstellungen bröckeln ließen. Wohin das führte, wusste er nicht. Es war ihm auch egal. Aber er unterschied sich noch in einem anderen Aspekt von dem toten Jaguar. Der Räuber war mit dem zufrieden, was er hatte, er führte ein selbstgenügsames Leben. In Hansen aber wühlte und bohrte es. Er wollte mehr, mehr haben, mehr sein, mehr vom Leben. Sein zaghaftes Fragen nach verborgenen Schätzenhatte bei Saracomano bisher zu nichts geführt, er musste es bei den Älteren probieren, am besten bei den beiden Greisinnen des Dorfes. Vielleicht würde ihm die Tatsache, dass er den Häuptlingssohn vor dem Tod bewahrt hatte, einige Hindernisse beiseiteräumen und die Indianer gesprächiger machen. Er dachte an die Streifzüge mit Schulz-Kampfhenkel, an ihr Erlebnis mit dem Wildschwein. Auch damals hatte Hansen schnell reagiert. Offensichtlich war er dazu auserkoren, andere vor Unheil zu bewahren. Bis auf Müller natürlich. Was sollte das? Warum drängte sich der Kerl dazwischen? Er verscheuchte den Gedanken. Zurück zu Schulz-Kampfhenkel. Mit dem Profit, den er damals aus seiner guten Tat schlagen wollte, hatte es allerdings nicht ganz geklappt. Er sollte seine Erwartungen also nicht zu hoch schrauben.
    Verdammte Geheimniskrämerei. Niemand im Lager legte die Karten auf den Tisch. Schulz-Kampfhenkel machte Hansens Wissen nach keine Anstalten, mehr von den Aparai zu erfahren als ihre Lebensgewohnheiten. Allerdings war Hansen oft den ganzen Tag unterwegs. Es half alles nichts, er musste wohl offen mit Schulz-Kampfhenkel reden. Allein würde er das Gold sowieso nicht transportieren können. Hansen nahm sich vor, seinen alten Freund so bald wie möglich darauf anzusprechen. Er hatte ein Recht darauf zu erfahren, was wirklich los war, warum die Partei eine solche Expedition finanzierte. Über diesen Gedanken schlief Hansen ein. Er wachte erst wieder auf, als Saracomano mit Raimundo und Ernesto vor ihm stand. Raimundo schüttelte den Kopf.
    »Gut, dass wir keine Kannibalen sind«, sagte er.
    »Oder eine Jararaca«, scherzte Ernesto. Hansen stand auf. In diesem Moment entdeckten die Männer den Jaguar.
    »Meine Güte«, rief

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