Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Vielleicht aber schimpfte er innerlich über den weißen Jäger, der einen heiligen Jaguar getötet und damit Unheil über ihr Dorf gebracht hatte. Hansen ignorierte das. Ihre Pechsträhne war allerdings schwer zu ignorieren. Zwei Indianerfrauen erkrankten an der Grippe, angesteckt von den Caboclos. Der Häuptling schickte sie ins Lager der Weißen, damit sie niemanden im Dorf infizierten. Die Indianer fürchteten den »catarro« mehr als die bösen Geister des Dschungels. Selbst der bemüht optimistische Schulz-Kampfhenkel haderte allmählich. Krause und Kahle waren nun ebenfalls zwei Wochen unterwegs. Sollte sie ein ähnliches Schicksal wie Greiner ereilt haben? Die Organisation des Nachschubs zog sich bereits mehr als zwei Monate hin. Täglich konnte die Regenzeit den Jary unbefahrbar machen. Der Expedition drohte das vorzeitige Ende.
Schulz-Kampfhenkel nahm sich deshalb vor, mit den verbliebenen Caboclos Krause und Kahle entgegenzufahren. Vielleicht hingen die Boote irgendwo fest und waren auf Hilfe angewiesen. Hansen sollte im Lager die Stellung halten. Schulz-Kampfhenkel hatte ihm nachmittags nach der Jagd seinen Plan verkündet, am nächsten Morgen würde es losgehen. Abends wollten sie alles besprechen. Hansen durfte die Gelegenheit auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen. Heute musste er seinen Schulfreund endlich fragen, was der wahre Grund für ihre Reise war. Vielleicht würde er Otto niemals wiedersehen. Unter diesen Bedingungen war das nicht unwahrscheinlich. Für den Fall sollte Hansen doch wohl informiert sein.
Beim Abendessen war Schulz-Kampfhenkel in aufgeräumter Stimmung. Er schien froh, endlich etwas tun zu können, nicht mehr stillsitzen zu müssen. Wegen des besonderen Anlassesspendierte er eine Runde Rum nach der anderen. Hansen war das nur recht. Der Alkohol würde Schulz-Kampfhenkels Zunge lösen.
»Ich hoffe, du weißt, dass ich dich nicht ohne Grund hier bei den Indianern lasse«, sagte der Expeditionsleiter. »Ich vertraue dir. Auf dir ruht jetzt die Verantwortung für alles, was wir bisher zusammengetragen haben. Falls ich nicht zurückkomme, musst du das Material nach Deutschland schaffen. Sonst war alles umsonst.«
Hansen nickte.
»Du kannst dich auf mich verlassen.«
Er würde alles verlässlich im Fluss versenken, dachte er. Schulz-Kampfhenkels Expedition wäre für die Öffentlichkeit mit Mann und Maus verschwunden, und Hansen könnte in der Heimat ein neues Leben anfangen. Ein verlockender Gedanke, wenn er es recht überlegte.
»Ich weiß«, sagte Schulz-Kampfhenkel. »Du hast dich in den vergangenen Monaten als wertvoller Freund erwiesen. Was du für die Gruppe geleistet hast, war wirklich großartig.«
Spuck es aus, dachte Hansen. Ohne mich wärt ihr alle verhungert. Aber sein Freund und Chef starrte nur abwesend in den Nachthimmel.
»Findest du nicht auch, dass das hier ein unglaublich schönes Land ist, so wild und prall und farbenprächtig? Zu Hause ist alles nur grau in grau. Man kann sich nie sattsehen an dieser Schönheit.«
Und leider auch nicht satt essen, hätte Hansen gerne hinzugefügt.
»Es hat seine Reize«, sagte er stattdessen.
»Die Jagd liegt dir, nicht wahr? Du bist zum Jäger geboren, weißt du das? Du könntest hier überleben.«
»Vielleicht. Aber ich kann mir Besseres vorstellen.«
»Du solltest mal darüber nachdenken. Wenn es so weit ist,brauchen wir Leute wie dich. Jemanden, der sich anpassen und durchsetzen kann.«
»Wenn was so weit ist?«
Schulz-Kampfhenkel seufzte.
»Ach, das sind nur so Gedankenspiele.«
Hansen frohlockte. Offensichtlich wollte sich der Expeditionsleiter etwas von der Seele reden.
»Komm, red schon. Du kannst mich nicht mit ein paar Brocken abspeisen und dann abfahren.«
»Es ist nur so eine Überlegung, ein Herumspinnen, weißt du. Um sich abzulenken von den täglichen Pflichten.« Er sammelte sich. »Das Land hier, das ist viel zu wertvoll, um von ein paar Indianern bewohnt zu werden. Sicher, aus ethnologischer Sicht sind die Aparai interessant, aber betrachte es mal aus einem Blickwinkel, der die Anforderungen unserer Zeit berücksichtigt. Rassisch gesehen stehen die Indianer weit unter uns, genau wie die Caboclos. Wenn sie uns dienen, ist das in Ordnung, aber im Grunde haben sie keinen Anspruch auf dieses Land.«
Hansen lauschte gebannt. Jetzt lernte er den wahren Otto Schulz-Kampfhenkel kennen. Und der stand ihm näher, als er dachte.
»Das sind alles Wilde, sonst nichts«, sagte Hansen
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