Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Saracomano, aber Hansen verwöhnte die Schamanin tagelang mit ausgesucht guten Fleischstücken. Die besten Teile eines Spießhirsches überzeugten sie schließlich von den ehrenhaften Absichten ihres Wohltäters. Zufrieden mümmelnd erklärte sie sich bereit, den Weißen, der fast so herumlief wie die Aparai, in ihre Kunst einzuweihen. Hansen schmunzelte.Bei den Indianern war es nicht anders als bei den Weißen. Erst kam das Fressen, dann die Moral. Wahrscheinlich waren sie auch anfällig für übertriebene Komplimente. Er probierte es gleich, verbeugte sich höflich vor Präräwa und hauchte ihr einen Kuss auf die Hand. Die hutzelige Indianerin kicherte unanständig. Das Eis war gebrochen.
Präräwa fing mit den tierischen Giften an. Sie ließ Saracomano verschiedene Frösche fangen. Für Hansen, der nur die heimischen Laubfrösche kannte, wirkten die winzigen, manchmal nur daumennagelgroßen Amphibien vollkommen harmlos. Verdächtig stimmte nur die leuchtende Signalfarbe ihrer Haut: Saracomano lieferte zitronengelbe, blutrote und azurblaue Exemplare in Präräwas Hütte ab. Sie spießte die Tiere der Länge nach auf, worauf diese ein leicht schaumiges Sekret auf ihrer Haut absonderten. Das war alles. Präräwa feixte. Sie nahm einen Blasrohrpfeil und tauchte die Spitze in die helle Flüssigkeit. Hansen fragte nach, wollte mehr erfahren über die genaue Wirksamkeit der Gifte und ob es jeweils ein Gegenmittel gebe. Präräwa teilte ihr Wissen, Saracomano übersetzte mit seinen erlernten Brocken Deutsch das, was ihm möglich war, und Hansen reimte sich den Rest zusammen. So gab es einen Pflanzensud, der gegen dieses und jenes Gift half, aber wohl nicht verlässlich. Präräwa zeigte ihm die Blätter, Hansen studierte sie genau, konservierte sie. Auch die verschiedenen Giftstoffe sammelte er in kleinen Glasfläschchen aus Schulz-Kampfhenkels Bestand. Sie dienten eigentlich dazu, Proben der exotischen Fauna und Flora aufzunehmen. In gewissem Sinne erfüllten sie also ihren Zweck. Nur war das hier im Gegensatz zu den Flechtkörben, Pfeilspitzen und Tierhäuten wenigstens praktisches Wissen, das daheim hilfreich sein konnte, wenn man denn geeignete Verwendung dafür fand. Er hielt Saracomano dazu an, noch mehr Frösche zu fangen, um brauchbare Mengen zusammenzubekommen. Begeistertverfolgte Hansen, wie sich sein Giftschrank allmählich füllte.
Komplizierter als das Melken der Frösche war die Herstellung von Curare. Hier bedurfte es exakt bemessener Anteile verschiedener Pflanzen und Baumrinden, die zu einer Masse gestampft wurden, um anschließend mühselig unter permanentem Rühren über Stunden gekocht zu werden. Atmete man dabei die Dämpfe zu tief ein, drohten Übelkeit und Ohnmacht. Hansen erwischte beides und musste außerhalb der Hütte, in der das Curare brodelte, verzweifelt nach Luft schnappen. Als er sich erholt hatte, ging er zurück in die Hütte und rührte weiter. Die Indianerin grinste breit. Hansen war ein zu allem entschlossener Schüler.
Am Ende entstand eine klebrige bräunliche Masse, die abgekühlt auf die Pfeile gestrichen wurde. Präräwa demonstrierte ihm, wie sich die Pampe verflüssigte, wenn sie mit Wasser in Kontakt kam. Hansen begriff. Drang das Curare von der Pfeilspitze ins Blut, veränderte es seine Konsistenz und zirkulierte sofort im Organismus. Die Alte gab ihm zu verstehen, dass er das Curare ruhig schlucken könnte, ohne daran zu sterben. Es musste in den Blutkreislauf gelangen, um seine Wirksamkeit zu entfalten. So erklärte sich für Hansen, warum die Indianer Tiere, die sie mit einem vergifteten Pfeil getötet hatten, gefahrlos essen konnten. Der Deutsche füllte ein kleines Tongefäß mit der teuflischen Masse und versiegelte es.
Als Letztes kam Präräwa zu den Feinheiten. Die Gifte ließen sich mischen, um besondere Wirkungen zu erzielen, oder man konnte sie mit einem Rauschmittel kombinieren. Es gab Tränke, um böse Dämonen aus einem Menschen zu treiben oder um ihm ein besonders gehütetes Geheimnis zu entlocken, um Schmerzen zu lindern oder die eigene Seele auf eine Reise zu den Geistern zu schicken, auf dass diese einen in die Zukunft schauen ließen. Hansen schwirrte der Kopf, aber erschrieb sich alles auf, notierte die Zusammensetzungen und zeichnete die Pflanzen ab, aus denen die Alte ihre unheilvollen Cocktails mischte. Wenn es irgendwie ging, konservierte er jeden Trank, jedes Pulver, selbst auf die Gefahr hin, dass die Ingredienzien nach einiger Zeit ihre
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