Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Waffen mit? Er musste davon ausgehen, dass Krauss sie benutzte. Das passte nicht zusammen. Nichts passte. Außerdem lag Straubinger natürlich richtig mit seiner Vermutung, dass Krauss niemals bei den Weinbergs einen Menschen töten würde. Es sollte eine Warnung sein, sonst nichts. Er senkte die Waffe.
»Hast du die Namen?«
»Natürlich«, sagte Straubinger eilfertig. Er zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn Krauss. »Mit ihren privaten Adressen. Allerdings möchte ich dich darauf hinweisen, dass du mich und die Weinbergs damit in höchste Gefahr bringst. Aber das ist dir sicher klar, nehme ich an.«
Krauss betrachtete den Zettel. Blumberg, Schmidt, Kreuztal. Sie hatten das zu verantworten, was Weinberg zugestoßen war. Sie fühlten sich unnahbar. Ein Irrglaube.
»Die Adressen brauche ich nicht«, sagte er.
Straubinger war irritiert.
»Du hast angekündigt, dass du ein Exempel statuieren willst. Auge um Auge, Zahn um Zahn. So denkst du doch.«
»Ich formuliere es anders: Ursache und Wirkung. Jede Handlung zieht eine andere nach sich. Das ist ein Lernprozess. Aber wenn es dir gefällt, kannst du es archaischer ausdrücken. Mir ist das egal.«
»Also doch.«
»Ich werde sie da treffen, wo sie es am wenigsten erwarten.«
Straubinger sah ihn ungläubig an.
»Du willst in die Prinz-Albrecht-Straße. Deshalb die Uniform.«
Krauss steckte die PPK ohne Schalldämpfer in ein Gürtelholster und klipste die Lasche zu.
»Das schaffst du nie.«
»Wir werden sehen. Du beschreibst mir, auf welchem Flur ich Blumbergs Büro finde. Es gibt doch bestimmt regelmäßige Besprechungen.«
Straubinger hatte den Schock noch nicht verdaut, wirkte fahrig.
»Jeden Morgen um zehn treffen sich die Kriminalkommissare Schmidt, Jansen und Meyerling im Büro des Kriminalrats Blumberg für eine kurze Lagebesprechung. Dauert meistensdreißig Minuten. Außerdem findet mittwochs abends um acht Uhr eine Wochenbesprechung statt. So haben die Herren Gelegenheit, sich dabei einen zu genehmigen.«
Krauss nickte.
»Morgen Abend. Das ist ideal. Es verwässert die Anhaltspunkte. Niemand wird auf den Gedanken kommen, dass Weinberg mit den Ereignissen zu tun hat. Um Kreuztal kümmere ich mich später.«
»Es wird kein Später geben. Du wirst nicht einmal Blumbergs Büro erreichen. Die Gestapo-Zentrale wird lückenlos rund um die Uhr überwacht. Du hast nicht die geringste Chance.«
»Da irrst du dich. Ich bin ein Teil des Systems. Niemand wird SS-Hauptsturmführer Kreidler auf seinem Weg zu Kriminalrat Blumberg behelligen. Und wenn doch, ist es auch nicht weiter schlimm. Es trifft immer die Richtigen.«
Weinbergs Sarkasmus färbte offensichtlich ab, dachte Krauss. Er ließ sich von dem nach wie vor skeptischen Straubinger eine Skizze des Gestapo-Gebäudes anfertigen, in der sowohl sein Weg als auch Blumbergs Büro verzeichnet waren. Krauss kannte den Bau zwar von früher, aber seinen blassen Erinnerungen allein vertraute er nicht. Außerdem war der Komplex in den vergangenen Jahren erweitert und verändert worden. Für den Fall, dass er das Haus lebend wieder verlassen würde, vereinbarte er mit Straubinger, der das Vorhaben weiterhin als undurchführbar kritisierte, einen sicheren Treffpunkt. Krauss hatte nicht vor, zu den Weinbergs zurückzukehren. Er durfte die Familie nicht in Gefahr bringen.
Als Straubinger gegen zehn Uhr abends gegangen war, entledigte sich Krauss der Uniform und klopfte behutsam an Weinbergs Schlafzimmertür. Der Arzt saß wach im Bett, seine Frau davor. Hannah schlief in ihrem Zimmer.
»Kommen Sie rein«, sagte Weinberg kaum hörbar. Sein Gesichtsah schrecklich aus. Krauss hoffte für den Arzt, dass er keine dauerhaften Entstellungen zurückbehielt. Er trat ans Bett, zog sich einen Stuhl heran, setzte sich.
»Ich möchte mich für alles bedanken«, sagte Krauss. »Und mich von Ihnen verabschieden.«
»Was mir passiert ist, hat nichts mit Ihnen zu tun. Das ist nicht Ihre Schuld«, nuschelte Weinberg.
»Ich möchte Sie trotzdem nicht weiter in Gefahr bringen. Das würde ich mir nie verzeihen.«
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Weinbergs Frau.
»Straubinger hat mir eine SS-Uniform besorgt. Er wird mir auch Papiere verschaffen. Damit werde ich versuchen, das Land zu verlassen.« Krauss wollte sie mit der Wahrheit nicht belasten.
»Auch Sie sollten zusehen, dass Sie so schnell wie möglich aus Deutschland rauskommen«, fuhr er fort. »Hier steht es auf Messers Schneide. Und ich glaube nicht, dass
Weitere Kostenlose Bücher