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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Vorraum schraubte er den Schalldämpfer vom Lauf und steckte ihn in die Tasche. Die Pistole stopfte er sich wieder in den Hosenbund. Als er Blumbergs Büro verlassen wollte, fiel sein Blick auf einen Schlüssel, der an einem kleinen Haken neben der Tür hing. Er nahm ihn ab und probierte von innen, ob er ins Schloss der Bürotür passte. Der Riegel rastete ein. Perfekt. Er öffnete die Tür, schritt auf den Flur. Kein Mensch war zu sehen. Krauss steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn zweimal, zog ihn ab. Das würde ihm mehr Zeit verschaffen, als er vermutet hatte. Er bog auf den Gang, der zur Treppe führte. Zwei Männer kamen ihmentgegen, salutierten, gingen weiter. Die Treppe. Krauss nahm die Stufen in geschäftigem Tempo, vermied übertriebene Eile. Er horchte in sich hinein. Da war nichts. Weder Anspannung noch Befriedigung. Stattdessen erschreckende Leere. So ähnlich hatte er sich nach den Schüssen auf seinen Bruder gefühlt. Kalt, ausgehöhlt, hoffnungslos. Warum verschaffte ihm Rache keine Genugtuung? Weil sie nichts änderte. Weil er nur am System kratzte, ohne etwas am großen Ganzen zu ändern. Die Nazis mordeten weiter, und sie stürzten Europa ins Chaos.
    In seine trüben Gedanken versunken, erreichte Krauss das Erdgeschoss. Zielstrebig wanderte er durch die Halle auf den Schalter zu, an dem er sein Pistolenholster abgegeben hatte.
    »Herr Hauptsturmführer!«
    Die Stimme ertönte schräg hinter ihm, und sie hatte einen befehlshaberischen Ton. Krauss ging unbeirrt weiter. Das durfte nicht sein. So kurz vor dem rettenden Ausgang.
    »Herr Hauptsturmführer! Es ist dringend!«
    Er blieb stehen. Die Augen mehrerer bewaffneter Soldaten waren auf ihn gerichtet. Krauss bezweifelte, dass er sich den Weg würde freischießen können. Vielleicht zwei, drei Leute mit ins Grab nehmen, das ja. Aber ungeschoren hier herauskommen? Niemals. Also sich dem Unvermeidlichen stellen. Er drehte sich um. Zwei SD-Männer warteten fünf Meter von ihm entfernt. Zu Krauss’ Überraschung schaute er nicht in einen Gewehrlauf.
    »Sie müssen mitkommen. Sofort.«
    Die Männer schienen nicht bereit, ein Nein zu akzeptieren. Sie hatten offensichtlich ihre Befehle. Krauss zögerte. Würden sie ihn der Taten bezichtigen, die er gerade begangen hatte, wäre die Situation eine andere.
    »Worum geht’s?«, fragte er. »Ich habe es eilig.«
    »Ein Notfall. Sie werden gleich alles erfahren.«
    Krauss nickte knapp.
    »Na gut. Gehen Sie voran.«
    Außer Sichtweite der Männer in der Halle konnte er seine Begleiter vielleicht unauffällig loswerden und verschwinden. Es kam darauf an, den geeigneten Moment zu finden. Die Soldaten marschierten vorneweg und bogen nach links in einen Gang ab. Krauss suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Mit jeder Minute, die er sich länger in dem Gebäude aufhielt, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, als Betrüger enttarnt zu werden. Und als Mörder. Der Gang knickte nach rechts ab. Krauss hörte Stimmen. Die Chance, seinen Begleitern zu entkommen, sank. Er bog um die Ecke und lief direkt in eine geöffnete Flügeltür. Was er für einen Gang gehalten hatte, war der Eingangsbereich zu einem Konferenzraum. Seine Eskorte bedeutete ihm einzutreten. In dem Saal befanden sich vielleicht zehn Männer, dem Gebaren nach höhere Dienstgrade. Niemand saß, alle standen in Grüppchen herum und redeten aufgeregt miteinander. Hoffentlich war niemand dabei, der ihn von früher kannte. Selbst wenn, würde ihn die ungewohnte SS-Uniform schützen, beruhigte sich Krauss. Aus einer Tür an der Stirnwand des Raums trat eine schlanke, hochgewachsene Gestalt mit asketischen Zügen. Die Offiziere verstummten, wandten sich dem Neuankömmling zu. Krauss erkannte den Mann sofort, obwohl er ihn seit Jahren nicht gesehen hatte. Es war Reinhard Heydrich.
    Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes schritt energisch durch den Raum, baute sich vor den Männern auf. Als Krauss das Land verlassen hatte, galt Heydrich als einer derjenigen, die es dank ihrer Intelligenz und ihres Durchsetzungsvermögens bis ganz nach oben schaffen würden. Da war er nun, im Zentrum der Macht, leitete die Gestapo und den Sicherheitsdienst mit gnadenloser Härte. Krauss blickte in die kalten Augen Heydrichs wie in einen Spiegel. Das hätte auch aus ihmwerden können. Heydrich fixierte ihn einen Moment, schien seine Tarnung zu durchschauen. Dann wandte er sich abrupt den Männern zu.
    »Heil Hitler, meine Herren. Ich habe Sie zu ungewöhnlicher Stunde hier

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