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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Anschlag auf Hitler hatte für ungeheuren Wirbel gesorgt und umfangreiche Ermittlungen nach sich gezogen. Straubinger fürchtete, entdeckt zu werden, zumal er Krauss, der die Weinbergs nicht länger behelligen wollte, nun bei sich in seinem Häuschen in Friedrichshain versteckte. Doch nichts passierte, die Situation beruhigte sich, wurde von den bevorstehendenGroßkonflikten überdeckt. Zudem war der Gestapo nur einen Tag nach Elsers Attentat ein folgenreicher Schlag gegen den britischen Geheimdienst gelungen. In Venlo hatten die Deutschen bei einer halsbrecherischen Aktion zwei englische Agenten festgenommen und dabei Informationen über die britische Geheimdienstarbeit in Deutschland erhalten. Angeblich war die Geheime Staatspolizei jetzt im Besitz einer Liste von Personen, die in Deutschland verdeckt für die Briten arbeiteten. So erschütternd Krauss die Nachricht fand, so hilfreich war sie, weil sie den Fokus auf andere verlegte. Was Straubinger betraf, hatte Krauss es aufgegeben, dessen Motive ergründen zu wollen. Wenn ihn der »Sohn Odins« verraten oder ein Geheimnis aus ihm herauslocken wollte, hätte er es längst getan oder resigniert. Krauss interessierte nur noch eines – wie er die entscheidenden Männer des Deutschen Reiches aus dem Weg räumen konnte. Allen voran Adolf Hitler.
    Straubinger war es, der Göring als erstes Opfer ins Spiel brachte. Krauss wiegelte zunächst ab, weil der Reichsfeldmarschall zwar als machtverrückter Lebemann, aber nicht als vorderster Kriegstreiber galt; doch Straubingers Argumente leuchteten ein. An Göring heranzukommen, war deutlich leichter, weil sich der Chef der Luftwaffe häufiger in die Öffentlichkeit wagte und nicht so strenge Sicherheitsvorkehrungen traf. Krauss sollte es als Testlauf sehen für schwierigere Ziele. Außerdem erlaubte sich Straubinger das Gedankenspiel eines Staatsbegräbnisses – mit der auf engstem Raum versammelten Führungselite der nationalsozialistischen Partei. Ideal für einen beherzten Attentäter, sagte Straubinger. In der Tat eine verlockende Vorstellung. Allerdings glaubte Krauss nicht an Sprengstoffanschläge. Elsers Beispiel zeigte, wie schwer sich der exakte Zeitpunkt berechnen ließ. Es sei denn, man sprengte sich selbst mit in die Luft. Auch dazu wäre Krauss unter gewissen Voraussetzungen bereit.
    In der Nähe des Zuges rührte sich etwas. Krauss griff nach dem Fernglas. Eine Kolonne von Fahrzeugen fuhr die Straße entlang. Görings Mercedes war nicht darunter. Die Wagen hielten vor den hinteren Waggons. Etliche Männer in SS-Uniformen verließen die Karossen. Krauss erkannte niemanden auf Anhieb, es handelte sich wohl um eine weitere Wachmannschaft. Aus einem Fahrzeug stiegen zwei Frauen, eine hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wurde von einem SS-Mann am Arm in den Zug hineingeführt. Eine Gefangene? In der Kürze der Zeit war es Krauss nicht möglich, ihr Gesicht zu sehen. Die andere Frau wartete vor dem Zug, steckte sich eine Zigarette an und drehte sich in seine Richtung. Krauss fluchte. Diese Frau war ein Mann; seine zu einem Zopf gebundenen Haare hatten ihn getäuscht. Was sollte das? Und vor allem: Wer war das? Krauss legte das Fernglas weg und fixierte den Mann durch das Zielfernrohr des Gewehrs. Jetzt erkannte er das Gesicht genauer. Harte, tief eingegrabene Züge, stechender Blick. Der Kerl gefiel ihm nicht. Es war bloß ein Gefühl, aber das täuschte Krauss selten. Er justierte das Zielfernrohr. Das Fadenkreuz lag genau auf dem Kopf des Unbekannten. Krauss führte den Finger vorsichtig an den Abzug.
    »Peng«, sagte er leise. Ein potentielles Problem weniger.
    Der Langhaarige schmiss die Kippe weg, blickte sich um und bestieg den Waggon. Krauss war neugierig geworden. Er folgte ihm mit dem Gewehr, dessen Lauf auf einem Dreifuß ruhte und sich deshalb leicht führen ließ. Sein Ziel lief durch den ersten Salonwagen weiter nach hinten. Obwohl Krauss nur die beschränkte Perspektive durch die Zugfenster blieb, registrierte er die ungewöhnlichen Bewegungen des Mannes, geschmeidig und elegant, fast wie ein Tänzer. Er war trainiert, dachte Krauss, schnell und stark. Plötzlich war der Zopfträger verschwunden. Krauss ging ein Fenster zurück, dann ein zweites, stellte scharf. Da war er wieder. In einem Abteil. Erstand vor der Frau, die man wohl in Handschellen ins Innere geführt hatte. Sie saß, die Arme seitlich nach unten gestreckt. Wahrscheinlich war sie dort fixiert. Krauss sah sie im Profil,

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