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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Angeblich, weil sie zu jung dafür sei. Und er hatte sie, weil ihre Wut und Selbstverachtung sie dafür prädestinierten, zu einer Mörderin ausbilden lassen. Die neue Familie, von der er sprach, war das Forschungsamt, Görings geheimer Nachrichtendienst. Sie hatte allerdings nicht die Aufgabe gehabt, Nachrichten zu ermitteln, sondern deren unliebsamen Urhebern das Leben schwerzumachen. Oder es zu beenden, wenn es angeraten schien.
    »Verlogenes, fettes Schwein«, sagte sie. »Du erfährst von mir kein Sterbenswörtchen, und das weißt du auch. Eher lasse ich mich in kleine Stücke schneiden. Mundgerecht, wenn du willst. Die kannst du in dich hineinstopfen, bis du daran krepierst.«
    Görings freundliche Miene gefror.
    »Gemeines Aas«, sagte er. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht damit gerechnet, dich auf friedlichem Wege zum Reden zu bringen. Du bist früher schon ein Satansbraten gewesen. Warum sollte sich daran etwas ändern? Du willst die harte Tour? Sollst du haben – sosehr es mir widerstrebt, Frauen leiden zu sehen. Aber ich tröste mich damit, dass du keine wirkliche Frau bist. Sondern ein mordendes Biest. Du hast es nicht anders verdient. Und wir werden dich zum Reden bringen, darauf kannst du dich verlassen. Nur fürs Protokoll, meine liebe Oda: Wo steckt Hitlers Sohn?«
    Sie legte alle Verachtung in ihren Blick, zu der sie fähig war.
    »Scher dich zum Teufel«, sagte sie.
    Göring grinste sie an, stand auf und öffnete die Abteiltür.
    »Du wirst bald einen jungen Mann kennenlernen«, sagte er fast fröhlich, als stehe seiner Nichte ein Rendezvous insHaus. »Er hat mir versichert, dass er ungewöhnliche Methoden beherrscht. Ich glaube, ihr werdet euch prächtig amüsieren.«
    Oda war wieder allein. Das machte ihr am meisten zu schaffen. Nicht die Schmerzen, die auf sie warteten, nicht einmal der Tod, das Alleinsein ängstigte sie, begleitete sie als bohrendes Gefühl im Unterleib. So sehr hatte sie sich in den vergangenen Monaten an Philipp gewöhnt, dass er ihr beinahe wie ihr eigenes Kind erschien. Das Kind, das sie nicht haben durfte. Das jetzt – hoffentlich – bei ihr unbekannten Eltern lebte, irgendwo in Deutschland, nicht ahnend, dass die Frau, die es Mutter nannte, nicht seine leibliche war. Wahrscheinlich würde es sogar niemals die Wahrheit erfahren. Und Oda nie wiedersehen.
    Immerhin waren sie und Philipp sich nähergekommen. Soweit es sein traumatisierter Zustand erlaubte. Aus der Sicht des Jungen hatte er seine Eltern in London bei einem brutalen Überfall verloren. Unmöglich, ihm die Wahrheit zu sagen. Er war damals zu jung gewesen, als dass er sich an die tatsächlichen Umstände seiner Herkunft hätte erinnern können. Der Sohn Adolf Hitlers, vom Führer auserkoren, eines Tages in seine Fußstapfen zu treten. Von Kindesbeinen an sollte er darauf vorbereitet werden. Hanna und Krauss hatten das verhindert, indem sie mit ihm nach Frankreich flüchteten. Sie wollten dem Jungen eine richtige Familie bieten. So hatte es Krauss Oda erzählt. Doch dann war alles schiefgegangen. Krauss’ Bruder Edgar hatte sie aufgespürt und Hanna getötet. Um den Jungen zu retten, verzichtete Krauss auf Rache und floh nach London. Dort fand er eine Familie, die den Jungen aufzog. Krauss sah sich dazu nicht mehr in der Lage. Auch die Pflegeeltern wussten nichts von Philipps leiblichem Vater. Niemand sollte es wissen. So hatte Krauss gehofft, das Geheimnis zu wahren. Doch er war gescheitert.
    Die Nazis hatten Philipp nach Deutschland entführt, aber Krauss und Oda war es gelungen, ihn zu befreien. Nur zu welchem Preis: Sie mussten sich trennen, um dem Kind eine Zukunft zu ermöglichen. Oda war mit Philipp davongefahren, Krauss hatte seinen Bruder getötet, um den hartnäckigsten Verfolger auszuschalten. Und war selbst dabei gestorben. Wahrscheinlich, fügte Oda in Gedanken hinzu. Selbst Göring hatte bei der Bemerkung, dass man Krauss’ Leiche nicht gefunden habe, gezuckt. Die gefährlichsten Feinde sind die, deren Tod man nicht beweisen kann. Weil der Geist ihres Widerstandes weiterlebt.
    Drei Nächte war Oda mit Philipp durchgefahren, tagsüber hatten sie sich und den Wagen versteckt, in einem Wald, hinter einer Scheune. Sie nahm nur wenig befahrene Straßen, mied die Städte, umfuhr, wenn möglich, selbst Dörfer. Philipp war pflegeleicht, aufgrund seiner furchtbaren Erlebnisse in sich gekehrt und folgsam. Er vertraute Oda, auch wenn sie nur über begrenzte Englischkenntnisse verfügte. Philipp, das

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