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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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er das? Der verunglückte Mann?«
    Der Polizist bestätigte es mit einem fast unmerklichen Kopfnicken.
    »Nein«, antwortete sie. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn noch nie gesehen habe.«
    Warum klinge ich so unsicher?, dachte sie. Ich sage doch die Wahrheit.
    Der Polizeibeamte nickte bedächtig, als würde er ihre Beteuerung nur widerwillig akzeptieren. Erneut saßen sie schweigend zusammen, und sie fragte sich, ob dies eine besondere Gesprächstechnik von ihm war oder ob ihm langes Schweigen einfach nichts ausmachte. Schließlich kam er dann doch auf das zu sprechen, worauf sie bereits gewartet hatte.
    »Wir können natürlich nicht völlig außer Acht lassen, dass er aus einem osteuropäischen Land stammt. Die Tatsache, dass er ausgerechnet Ihre Telefonnummer bei sich führte, finden wir natürlich … Wir finden diesen Umstand besonders interessant. Wie Sie verstehen werden.«
    Sie schlang die elegante Kaschmirstrickjacke enger um sich. »Nein, Herr Tellus, das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.«
    »Tilas, Inspektor Tilas. Sie finden das nicht bemerkenswert?«
    Sie schüttelte den Kopf, aber es fiel ihr zunehmend schwer, ihre überlegene Haltung zu wahren. Er hatte einen härteren Ton angeschlagen, und sie vermutete, dass es ein Fehler gewesen war, ihn bewusst mit einem falschen Namen anzusprechen.
    »Haben Sie immer dieselbe Telefonnummer gehabt?«
    »Seien Sie nicht albern, Herr Inspektor, ich bin in Breslau geboren.«
    Lass ihn kämpfen, dachte sie. Schenk ihm nichts. Sie wusste, welches Ziel seine Fragen verfolgten, hatte aber nicht vor, ihm entgegenzukommen. Ich habe mit vielen von eurer Sorte gesprochen, Inspektor Tilas, ich weiß, worauf ihr hinauswollt.
    Er sah sie mit einem überlegenen Lächeln an. »Ich dachte eher, ob Sie seit dem Tod Ihres Mannes immer dieselbe Nummer hatten.«
    Sie musste feststellen, dass er direkter zur Sache kam als viele andere Polizisten, mit denen sie im Laufe der Jahre gesprochen hatte.
    »Es ist siebzehn Jahre her, dass mein Mann gestorben ist, das sollten Sie wissen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich die Nummer seither geändert hat.« Sie dachte nach. »Schon möglich, dass es dieselbe geblieben ist. Wieso?«
    Er setzte ein scheinbar verlegenes Lächeln auf, aber es war das selbstsichere Grinsen eines Schulhoftyrannen.
    »Wir fragen uns natürlich, ob es sich um … um einen alten Bekannten Ihres Mannes handeln könnte.«
    »Mein Mann war nie in Albanien stationiert.«
    Der Polizeiinspektor nickte, das wusste er natürlich schon. »Wir haben überlegt, dass es sich um einen Mann handeln könnte, dem Ihr Gatte außerhalb seiner offiziellen Funktion begegnet ist.« Er sprach jetzt leiser, mit dieser scheinbar rücksichtsvollen Intimität, die sie im Laufe der Jahre so hassen gelernt hatte.
    »Unser Bekanntenkreis war recht klein. Und umfasste, soweit ich mich erinnere, keine Albaner.« Sie spürte, dass ihre Widerstandskraft gegen seine immer aufdringlicheren Fragen langsam schwand.
    Er lächelte nicht mehr und kehrte zu seinem früheren harten Tonfall zurück. »Ich dachte, dass die beiden vielleicht den gleichen Kreisen angehörten.« Noch eine Pause. »Oder vielleicht in irgendeiner anderen Weise intim miteinander bekannt waren.«
    Der letzte Kommentar traf sie wie ein Peitschenhieb. Sie sah weg wie jemand, der Angst hatte, geschlagen zu werden. Zum Teufel mit Ihnen, Inspektor Tilas, dachte sie. Der Teufel soll Sie holen, Sie und all Ihre Brüder in den Sicherheitsdiensten dieser Welt. Ich bin eurer Sorte so oft begegnet. Der einzige Mann, der mich jemals mit Liebe und Respekt behandelt hat, ist der Mann, den ihr mit euren Unterstellungen verhöhnt.
    Laut sagte sie nur: »Ich denke, Sie sollten jetzt gehen. Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
    Sie stand am Fenster und sah hinaus, um sich zu vergewissern, dass er auch tatsächlich ging. Nach einer Weile sah sie ihn aus der Tür treten und die Straße hinuntereilen. Sie hatte so nahe am Fenster gestanden, dass die Scheibe von ihrem Atem beschlug. Seufzend wischte sie das Glas mit dem Ärmel ihrer Kaschmirstrickjacke trocken.
    Vorsichtig ging sie in die Bibliothek und betrachtete den leuchtenden roten Punkt des Anrufbeantworters. Es war ein Vorschlag des freundlichen Nachbarmädchens gewesen. Heutzutage habe jeder einen solchen Anrufbeantworter, hatte sie ihr versichert. Am Ende hatte sie nachgegeben und dem Mädchen erlaubt, für sie einen zu kaufen. Es war natürlich eine unnötige Ausgabe gewesen,

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