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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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von ihnen habe ich gefunden, und sie sind bereit, mit Ihnen zu sprechen. Aber ich muss Sie warnen. Der Einzige von ihnen, der Englisch zu sprechen scheint, ein gewisser Shefqet Shala, ist ein etwas … wie soll ich mich ausdrücken …«
    Wieder strich er sich unwillkürlich über das Kinn.
    »Er ist seit Anfang Juni hier, offensichtlich einer der Ersten, die Albanien verlassen haben, als auch dort das politische Tauwetter einsetzte. Shala blickt nicht nur auf eine lange Vergangenheit in albanischen Gefängnissen zurück, sondern ist auch in Italien wegen Raub und Menschenschmuggel verurteilt worden. Er scheint mit einem Fischerboot nach Italien gekommen zu sein und dort im wahrsten Sinne des Wortes illegal gelebt zu haben.«
    Er versuchte sich an einem flüchtigen Lächeln, das Meijtens erwiderte, um den Mann zum Weitersprechen zu ermutigen.
    »Ob das mit dem stillschweigenden Einverständnis des albanischen Regimes geschah, wollen wir mal dahingestellt lassen. Weiß der Himmel, was hinter Shalas Aufenthalt in Italien steckte.«
    Er sah Meijtens an, als versuchte er zu beurteilen, wie seine Geschichte aufgenommen wurde.
    »Er hat behauptet, er sei dann nach Albanien zurückgereist, um sich dort um einen kranken Verwandten zu kümmern, und sei bei seiner Ankunft sofort verhaftet worden. Vielleicht gab es für ihn Gründe zu glauben, dass er bei albanischen Gerichten größere Chancen haben würde als bei italienischen, vielleicht ist die ganze Geschichte ein Bluff. Bevor er herkam, wurde ihm in Österreich und Belgien eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert, und seine Ausweisung aus Schweden dürfte bloß eine Frage der Zeit sein. Die Italiener üben Druck auf uns aus, und das Außenministerium hat uns angewiesen, die Untersuchung seiner Asylgründe zu beschleunigen. Shala ist so verzweifelt, dass er wirklich alles sagen würde, um in Schweden bleiben zu dürfen. Das sollten Sie immer bedenken. Er ist sehr verschlagen und manipuliert andere. Unseren Mitarbeitern zufolge bestimmmt er über die anderen albanischen Flüchtlinge in der Unterkunft und hat inoffiziell die Rolle als ihr Sprecher übernommen. Nehmen Sie nicht alles für bare Münze, was er sagt.«
    Sie kamen zu einer Gruppe von drei Personen. Ein kleiner Mann mit intelligenten, aber unruhigen Augen blickte schon in ihre Richtung. Er verlagerte ständig seinen Körperschwerpunkt vom einen Bein zum anderen und rauchte hastig eine Zigarette. Die beiden anderen Männer wirkten passiver: Der eine lehnte am Zaun, der andere zog träge an einer Zigarette.
    Der kleine Mann streckte die Hand zum Gruß aus und stellte sich vor. »Shefqet Shala.« Er nickte zu den beiden anderen hinüber. »Sie sprechen kein Englisch.« Die Mienen der Männer blieben stoisch und desinteressiert.
    Shala wollte Meijtens’ Presseausweis sehen und zog ein abgegriffenes Notizbuch heraus, in das er sorgsam alle Angaben übertrug. Dem Leiter des Asylbewerberheims warf er misstrauische Blicke zu.
    »Ich glaube, wir kommen jetzt alleine zurecht«, meinte Meijtens, und der Leiter nickte den drei Albanern kurz zu, ehe er ging.
    Das Interview mit Shefqet Shala verlief zäh. Er sprach gebrochenes Englisch und musste gelegentlich deutsche und italienische Worte einschieben.
    Sicher erinnere er sich an Aron Bektashi, er habe bei seiner Ankunft mit ihm gesprochen. Nein, Bektashi habe nicht erzählt, warum er Albanien verlassen habe und warum er ausgerechnet nach Schweden gegangen sei oder dass er beabsichtigt habe, nach Stockholm zu fahren. Er zuckte mit den Schultern, als wären diese Fragen uninteressant, unter seiner Würde. Einmal hatte Meijtens allerdings das Gefühl, dass in den Augen des Albaners etwas aufblitzte.
    »Kannten Sie ihn?«
    Shala schüttelte den Kopf.
    »Wussten Sie, wer er war?«
    Der Albaner wackelte mit dem Kopf, als wolle er sagen: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Danach wechselte Shala plötzlich das Thema und begann, über Albanien zu sprechen. Dass er nach Schweden geflohen sei, weil er gehört habe, es sei das großzügigste Land der Welt, jetzt wisse er jedoch nicht mehr, ob das wirklich stimme. Shalas Sätze wurden unzusammenhängend, sein Englisch ließ ihn im Stich. Ein Missverständnis in Italien habe zu seiner Ausweisung geführt. Nun benötige er einen Rechtsanwalt. Er wolle Gerechtigkeit, sonst nichts. Meijtens hörte noch etwas anderes mitschwingen, die Andeutung eines Tauschhandels.
    »Was können Sie mir über Bektashi erzählen?«, erkundigte sich Meijtens

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