Ein Freund aus alten Tagen
in kurz gehaltenen Kommentaren eventuelle Änderungen. Natalie strich einige seiner überflüssigen Nebensätze, Meijtens schlug für ihre Artikel Ergänzungen und Erläuterungen vor.
»Wie zwei verdammte Konzertpianisten, die Noten austauschen und im Duett spielen«, meckerte Sölvebring, während er Notizen aus den Tageszeitungen der vergangenen Woche ausschnitt.
Meijtens hatte sich Natalies Urteil in den meisten Fällen vertrauensvoll angeschlossen. Er hatte sie alle Vorspanne umschreiben lassen und zugelassen, dass seine eigenhändig zusammengestellten Fakten über Albanien wegfielen. Er tat dies teilweise aus taktischen Gründen und aus Zeitmangel, aber auch, weil er allmählich wider Willen eine gewisse Bewunderung für sie empfand.
Sie hatte drei Zeitungsboten aufgetrieben, die sich deutlich an ihren verschwundenen Freund erinnerten. Die drei hatten die Zeitung mit rührenden Zitaten versorgt, von denen Meijtens hoffte, dass sie ohne Natalies Zutun geäußert worden waren. Außerdem hatte sie einen von Lindmans alten Ausbildern im Außenministerium aufgespürt und jedes Dokument herausgesucht, das in irgendeiner Weise Berührungspunkte mit dem übergelaufenen Diplomaten hatte.
In einem Punkt gab Meijtens nicht nach, obwohl Natalie bis zuletzt skeptisch geblieben war. Letztlich hatte sie den Tenor in seinem abschließenden Artikel über Erik Lindman akzeptiert. Jetzt lag der Entwurf in Bertil Anderssons kompetenten und kraftvollen Händen. Meijtens schaute zu seinem Glaskasten hinüber und trank einen Schluck kalt gewordenen Kaffee. Als der stellvertretende Chefredakteur sie zu sich rief, hörten sie an seiner Stimme, dass es Probleme gab.
Bertil Andersson hielt den Artikel vor sich ausgestreckt, als würde er befürchten, dass er jeden Moment Feuer fangen könnte.
»Ihr habt euch auf richtig dünnes Eis begeben, ich hoffe, das ist euch klar«, sagte er und zeigte auf ihren Artikel. »Wenn ihr tatsächlich die These vertreten wollt, dass Erik Lindman kein Spion gewesen sein kann, müsst ihr dafür sehr viel mehr in der Hand haben. Die Umstände, dass seine stalinistischen Ansichten vor seinem Verschwinden ein bisschen ins Wanken geraten waren, dass er ohne Angabe von Gründen seine Stelle im Außenministerium gekündigt hat oder dass Oberstudienrat Meijtens der Meinung ist, er habe sich im falschen Ostblockstaat versteckt gehalten – all das wiegt zu leicht im Vergleich zu einem Vierteljahrhundert absolut sicherer Verlautbarungen des Staatsschutzes.«
Meijtens wollte gerade etwas sagen, wurde jedoch durch den stellvertretenden Chefredakteur unterbrochen, der noch einmal Anlauf nahm. Diesmal mit seiner effektivsten Waffe: seinem trügerisch sanften Sarkasmus.
»Immerhin könnte es doch sogar ausnahmsweise einmal so sein, dass die Herrschaften vom Staatsschutz trotz all ihrer Fehler und Mängel tatsächlich – tatsächlich! – etwas wissen, was der Firma Meijtens und Petrini nicht bekannt ist. Aber wenn ihr glaubt, die lassen zu, dass zwei rotzlöffelige Journalisten in einem wackeligen neuen Wochenmagazin die Schuld eines der wenigen Spione infrage stellen, denen sie wirklich mal auf die Schliche gekommen sind, wenn auch bedauerlicherweise ein bisschen spät, nämlich als er offenbar schon in Albanien saß und Datteln mampfte – dann irrt ihr euch gewaltig.«
Er starrte vom einen zum anderen.
»Wenn wir einen derart spekulativen Artikel bringen und nicht mehr zu bieten haben, werden die uns mit Haut und Haaren auffressen!«
Meijtens zog eine Kopie aus einer Mappe.
»Wir haben wirklich noch etwas«, sagte er ruhig. »Erik Lindmans Abschiedsbrief an das Außenministerium.«
Natalie hatte das Schreiben in einer alten Personalakte gefunden, aber Meijtens war es gewesen, der seine Bedeutung erkannt hatte. Es war die Bestätigung für das, was er die ganze Zeit vermutet hatte, das kleine Detail, das nicht ins Bild passte. Das, worauf auch Åke Sundströms Geschichte hindeutete.
Während er ruhig den Inhalt referierte, starrte Bertil Andersson sie mit krampfhaft angespannten Kiefern an.
»Im Großen und Ganzen enthält das Schreiben keine Überraschungen«, sagte Meijtens, »wenn man einmal davon absieht, dass es ein bisschen lang und für ein Kündigungsschreiben verblüffend positiv ist. Er lobt das Außenministerium als Institution in den höchsten Tönen und nennt voller Dankbarkeit mehrere Namen.« Meijtens überflog den Brief und las ausgewählte Sätze laut vor. »Aber das Ende ist dann doch
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