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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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auf dessen Gesicht ein seliges Lächeln lag. Seine Frau begrub ihr Gesicht in den Händen.
    Danach wiederholte sich das Muster. Arvid Lindman zeigte auf den nächsten Artikel in Nachrichten aus der Sowjetunion , in dem es um eine Tournee des Bolschoitheaters in Zentralasien ging, und dann auf einen Artikel über Kulturpolitik, den sein Sohn in Veritas geschrieben hatte. In gleicher Weise fuhr er mit zwei weiteren Dokumenten fort. Die Verbindungen erschienen Meijtens bestenfalls haarsträubend weit hergeholt, in den meisten Fällen jedoch überhaupt nicht nachvollziehbar.
    Arvid Lindman lehnte sich vor und presste einen angespannten Zeigefinger auf die Tischplatte.
    »Er ist dort und arbeitet für die Sowjets. Hier durfte er ja kein Botschafter werden, war er ihnen nicht fein genug. Deshalb lebt er heute als Berater des Politbüros in der Sowjetunion und gestaltet den Sozialismus.«
    Lillemor Lindman jammerte nicht mehr, sondern sagte ruhig: »Jetzt reicht es, Arvid. Er wird das nicht schreiben. Vielleicht schreibt er, dass Eriks alter Vater wahnsinnig geworden ist, aber er wird nicht schreiben, dass Erik als Berater für die Sowjets arbeitet.«
    Meijtens spürte, dass ihre letzten Worte nicht nur an ihren Mann gerichtet waren, sondern zugleich eine an ihn gerichtete Bitte darstellten. Er versuchte, einen anderen Faden aufzugreifen, um von dieser surrealistischen Theorie fortzukommen, und erinnerte sich an das, was Åke Sundström gesagt hatte. Über das letzte Gespräch zwischen den alten Freunden und über Eriks Veränderung.
    »Blieben Eriks politische Überzeugungen bis zu seinem Verschwinden unverändert?«, fragte Meijtens und hütete sich diesmal davor, auf Åke Sundström zu verweisen.
    Frau Lindman setzte zu einer Antwort an, wurde jedoch von ihrem Mann unterbrochen.
    »Unerschütterlich«, erklärte Arvid Lindman. »In seinen Überzeugungen ist Erik immer unerschütterlich geblieben.«
    Es entstand ein verlegenes Schweigen. Nach einer Weile ergriff Lillemor Lindman erneut mit ruhiger und eindringlicher Stimme das Wort. Ihr Gatte starrte sie abwartend an.
    »Zwei Wochen vor seinem Verschwinden kam Erik uns besuchen. Es war immer wunderbar, ihn hierzuhaben. In den letzten Jahren kam das ja immer seltener vor. Da wirkte er tatsächlich …«
    »Da wirkte er genauso unerschütterlich wie immer!«, erklärte ihr Mann. Er wandte sich an Meijtens und fuhr fort: »Erik war ein Gelehrter und ein einzigartiger Genosse, aber manchmal war es wichtig für ihn, zu mir zu kommen und sich Rat zu holen. Immerhin habe ich mein ganzes Leben für die Partei gearbeitet und im Laufe der Zeit so manches gesehen. Es war eine ganz normale Diskussion unter zwei Genossen, bei der ich Eriks Fragen beantworten und seine Zweifel zerstreuen konnte.«
    Er wandte sich wieder seiner Frau zu und sprach mit gellender Stimme weiter: »Aber das begreifst du nicht. Du und Åke Sundström, ihr sitzt da und verleumdet Erik vor den Augen der bürgerlichen Presse. Ihr habt Erik nie verstanden, nur mit mir konnte er so reden.«
    Lillemor Lindman seufzte und schüttelte den Kopf. Sie wandte sich an Meijtens. »Ich glaube, das reicht jetzt.«
    Meijtens nickte stumm. Arvid Lindman starrte mit leerem Blick vor sich hin.
    Ehe er ging, durfte Meijtens noch Eriks altes Kinderzimmer sehen. Offensichtlich war es all die Jahre unverändert geblieben. Ein sorgsam gemachtes Bett und verblichene Plakate von diversen Fußballmannschaften. Auf dem aufgeräumten kleinen Schreibtisch lagen immer noch ein Stift, ein Radiergummi und ein Lineal. Aus dem Wohnzimmer war das Schluchzen des alten Mannes zu hören. Meijtens ertappte sich dabei, sich intensiv zu wünschen, dass Aron Bektashi nicht Erik Lindman war. Dass Erik Lindman sich in diesem Moment unter sicheren und glücklichen Umständen irgendwo auf der Welt aufhielt.
    Ich hoffe, du hockst auf Kuba, mein Freund, dachte Meijtens. Mit einem Mojito in der einen Hand und einer Zigarre in der anderen, während das Politbüro dir aus der Hand frisst. Du hast weiß Gott etwas Besseres verdient als das hier.
    Auf dem Weg zum Bahnhof war ihm schlecht. Lag es am vielen Kaffee? Er atmete tief durch und ging schneller. Im Bahnhof rief er in der Redaktion an und hatte wenig später Bertil Anderssons polternde Stimme an der Strippe.
    »Wo zum Teufel steckst du, Meijtens? Wir haben dich überall gesucht!«
    Meijtens wies gereizt darauf hin, dass er nach Sandviken gefahren sei, um mit Erik Lindmans Eltern zu sprechen.
    »Ach so,

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