Ein Freund aus alten Tagen
Redaktion zu sparen und stattdessen ein paar Bahnen zu schwimmen.
Als er im Forsgren-Bad ins Becken sprang, grübelte er immer noch darüber nach, warum keine der Zeitungen kommentiert hatte, was Bertil Andersson am Ende zu einem kleinen Kästchen eingedampft hatte. Dass Erik Lindman aller Wahrscheinlichkeit nach kein Spion gewesen war, der für die Sowjetunion arbeitete. Auch die Boulevardblätter hatten diese These nicht aufgegriffen.
Er versuchte, sich nochmals in Erinnerung zu rufen, was der Obdachlose gesagt hatte, entschied jedoch, dass es vermutlich nicht weiter wichtig gewesen war. Die seltsamen Zusammenhänge, die seit dem Einbruch bei Hanna in seinem Kopf gekeimt hatten, waren bestimmt völlig aus der Luft gegriffen. Seine Schläfen pochten unter Wasser. Aber warum hatte sich Erik Lindman auf diese Aussichtsterrasse begeben? Ich komme zurück, und dann erkläre ich dir alles. Er erhöhte die Schlagzahl.
Als er anschließend in der Sauna saß, war sein Körper von der Anstrengung noch ganz matt. Es war schon eine ganze Weile her, dass er so viel geschwommen war. Zwei ältere Herren, die offenbar Freunde und Stammgäste waren, sprachen über aktuelle Themen, und Meijtens lauschte ihnen heimlich amüsiert mit halb geschlossenen Augen. Zu seinem Erstaunen kamen sie irgendwann auf die Neuigkeiten über Erik Lindman zu sprechen. Der eine gab mit pedantischer Genauigkeit die gekürzte Version der Tageszeitung wieder, obwohl offensichtlich beide den Artikel gelesen hatten. Anschließend schwiegen sie eine Weile und gossen mehr Wasser auf die Steine des Saunaofens.
»Eigentlich unglaublich«, meinte der Gesprächigere der beiden.
»Was?«, fragte sein Begleiter.
»Dass jemand sein Land so verraten kann.«
Der andere nickte traurig. »Ja. Zum Kotzen.«
Meijtens sagte nichts, sondern stand einfach auf und ging. Er wollte noch ein paar Bahnen schwimmen.
Im ersten Beitrag der abendlichen Fernsehnachrichten ging es um Streitigkeiten innerhalb der Regierung über das Thema Atomkraft, aber danach folgte gleich ein längerer Beitrag über Erik Lindman. Meijtens steckte das Telefon aus und stellte den Ton lauter.
»Ein Mann, der vor einer Woche tot auf dem Stadsgårdskai gefunden wurde, konnte als der unter Spionageverdacht stehende Erik Lindman identifiziert werden, der 1965 spurlos verschwand. Vorliegenden Informationen zufolge hat Lindman sich in Albanien aufgehalten und ist mit albanischem Pass und neuer Identität nach Schweden zurückgekehrt.«
Der Beitrag gab Erik Lindmans Geschichte mithilfe alter Filmausschnitte aus den Sechzigern und einer Reihe von Zitaten aus 7Plus wieder. Der Nachrichtensprecher erteilte anschließend dem Kommentator der Redaktion das Wort, einem Herrn mittleren Alters mit schütteren Haaren, der zu fast allen Themen der Sendung etwas beizusteuern wusste.
»Der Staatsschutz dürfte heute mit größter Befriedigung seine Theorie bestätigt sehen, dass der unter Spionageverdacht stehende Erik Lindman sich in einen Ostblockstaat abgesetzt hatte. Damit können die jahrelangen Spekulationen über den Spion, der Anfang der Sechzigerjahre an der Universität von Uppsala rekrutiert wurde, endgültig zu den Akten gelegt werden. Lindman dürfte allerdings nicht in der Lage gewesen sein, Schweden in der Zeitspanne, in der er als Spion aktiv war, größeren Schaden zuzufügen, da er seine Anstellung im Außenministerium als Folge der Ermittlungen gegen ihn beendete.«
Meijtens schüttelte den Kopf.
Der Nachrichtensprecher warf eine Frage ein: »Ist es nicht überraschend, dass er sich ausgerechnet in Albanien aufgehalten hat, mit albanischer Identität?«
»Genau«, murmelte Meijtens.
»Im Grunde nicht, es ist offenbar üblich, dass man Überläufern eine neue Identität gibt. Vor allem wenn der Vorgang wie in diesem Fall geheim gehalten wird.«
Meijtens war von seinem Stuhl aufgestanden, hatte die Hände im Nacken verschränkt und starrte auf den Fernsehbildschirm wie jemand, der in einem Länderspiel einen verschossenen Elfmeter sieht.
»Aber der erste Teil der Frage, der erste Teil, Mensch!«
Sein Ausbruch schien Wirkung zu zeigen, denn der Kommentator fuhr fort: »Wir wissen noch nicht, welche Erklärung es dafür gibt, dass er sich in Albanien aufgehalten hat, und wir werden es nun, da Erik Lindman tot ist, wohl auch niemals erfahren. Man darf nicht vergessen, dass Lindman fünfundzwanzig Jahre verschwunden gewesen ist, in diesem Zeitraum kann vieles geschehen sein.«
Meijtens
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