Ein Freund aus alten Tagen
ein weiteres Mal umständlich von den Qualifikationen seines Sohnes. Erik Lindmans Mutter seufzte noch eindringlicher und schüttelte den Kopf. Meijtens erkannte, dass sie wegen ihres Mannes und nicht wegen seiner eingebildeten Feinde seufzte.
»Ach, übrigens, wer hat eigentlich behauptet, Erik habe auf eigenen Wunsch aufgehört?«, murrte Arvid Lindman.
»Åke Sundström, sein alter Schulfreund«, sagte Meijtens und hoffte, dass er einen alten Freund aus dem Viertel als akzeptablen Informanten betrachten würde, aber da irrte er sich gewaltig, denn Erik Lindmans Vater bekam einen noch schlimmeren Wutanfall.
»Åke Sundström«, zischte er, dass der Speichel über den aufgeräumten Couchtisch spritzte. »Sie können Åke doch nicht in einem Atemzug mit Erik nennen. Wissen Sie, was er heute ist?«, trompetete der alte Mann streitlüstern und drohte Meijtens mit dem Finger.
»Ein verdammter Schullehrer! Das ABC, die größten schwedischen Seen und sieben mal sieben! Da haben Sie Ihren Åke Sundström«, schloss er triumphierend. Meijtens dämmerte allmählich, dass Arvid Lindman einen aussichtslosen Kampf gegen den nahenden Wahnsinn ausfocht.
»Er ist weniger wert als der Schmutz unter Eriks Schuhsohlen! Und eins sage ich Ihnen, wenn Erik nicht gewesen wäre, hätte Åke die Schule schon mit zwölf abgebrochen und wäre mit fünfundzwanzig Alkoholiker gewesen, genau wie alle anderen Burschen in seiner verdammten Familie!«
Lillemor Lindman schwieg und flocht ihre Finger ineinander.
»Nein, sie mussten Erik sicher nicht feuern«, fuhr ihr Mann fort. »Sie haben ihm einfach das Leben schwer gemacht und ihn vertrieben, so wie die Sozis es in der Gewerkschaft mit mir gemacht haben. Leute wie Erik und mich wollen sie loswerden.«
Jetzt lachte Lillemor Lindman leise glucksend und schüttelte abwesend den Kopf.
»Dann meinen Sie also, dass er in den Osten gegangen ist?«, fragte Meijtens matt. »Dass er übergelaufen ist?«
Der alte Kommunist erhob sich erneut, und seine Stimme bekam einen tieferen Klang.
»Sie nehmen dieses Wort in meinem Haus nicht in den Mund und auch nicht in Ihrer Zeitschrift! Erik ist nirgendwohin übergelaufen.«
Er setzte sich wieder und strich sich mit der Hand über die Haare, als wolle er seine widerspenstige graue Tolle glätten. »Er ist dorthin gegangen, wo man weiß, was man an ihm hat, und wo man ihm die Stellung gegeben hat, die er verdient. Diese Bürokraten in Stockholm sollen sich bloß nicht beklagen. Sie hatten ihre Chance, haben sie aber nicht genutzt«, ergänzte er mit einem würdevollen Kopfnicken.
Meijtens dachte, dass der Kalte Krieg für Arvid Lindman offenbar aus einem internationalen Tauziehen um den Intellekt seines Sohnes bestand.
Der Alte begann, Zeitungen, Magazine, Pressemeldungen und andere Dokumente auf dem Couchtisch auszubreiten. Schon bald zeichnete sich ein Muster ab, das einer bizarren Patience glich – aufgeschlagene und markierte Artikel aus dem farbenfrohen Propagandamagazin Nachrichten aus der Sowjetunion wurden von kopierten Artikeln aus alten Ausgaben der Zeitschrift Veritas und Publikationen ergänzt, die akademische Aufsätze zu sein schienen.
»Nein, Arvid«, stöhnte Lillemor Lindman. »Wir werden in der Zeitschrift als zwei Verrückte dastehen. Ich werde mich nicht mehr auf die Straße trauen. Beruhige dich doch!«
Aber Arvid Lindman legte weiter seine Patience.
»Nein, Lillemor! Die Welt soll es erfahren. Alle, die getuschelt und schlecht über unseren Erik geredet haben. Jetzt sollen sie sehen, was er geschafft hat!«
Er zeigte mit leicht zitterndem Finger auf einen Artikel in Nachrichten aus der Sowjetunion . Meijtens lehnte sich vor und las pflichtschuldig den Vorspann und das erste Drittel des Artikels, in dem es um Rekordernten im Kaukasus dank der Vorteile von Großbetrieben ging. Er blickte wieder auf, um anzuzeigen, dass er fertig war oder jedenfalls nicht weiterlesen wollte. Anschließend bewegte Erik Lindmans Vater seinen Finger vielsagend zu dem Dokument, das er danebengelegt hatte, einem Aufsatz des Studenten Erik Lindman an der Universität von Uppsala, Effekte staatlicher Maßnahmen für eine rationalisierte Landwirtschaft.
Meijtens überflog die Einleitung und stellte fest, dass es sich um eine trockene Übersicht über die Produktionsanstiege handelte, die anhand einer Rationalisierung der Landwirtschaft durch Großbetriebe im gemeinschaftlichen Besitz erzielt werden konnten. Er schaute erstaunt zu Arvid Lindman hoch,
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