Ein Freund aus alten Tagen
aber auch nichts, was direkt auf einen Mord hindeutet, oder?«
Tilas saß vollkommen still, nur seine Nasenflügel bewegten sich leicht. »Der Knopf«, sagte er schließlich.
Fahlén lächelte.
»Das habe ich in deinem Bericht gesehen. Es mag in der Tat ein bisschen seltsam sein, aber es ist nicht genug, um in einem Mordfall zu ermitteln. Ich kann mir jedenfalls eine Menge ganz natürlicher Erklärungen vorstellen.«
Er schwieg kurz und zog einen Stift aus der Innentasche seines Jacketts, mit dem er leicht auf den Tisch klopfte.
»Könnte es sein, dass dir die Jagd fehlt und du gerne in einem Mordfall ermitteln würdest? Wenn dieser Fall so läuft, wie er soll, können wir ernsthaft in Erwägung ziehen, deine Hilfe in Anspruch zu nehmen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt. Zu vergessen, was gewesen ist, eine neue Chance und so weiter.«
Tilas senkte den Blick. Die Luft im Raum kam ihm auf einmal stickig vor.
»Du gehst doch noch zu deinen Terminen? Ich meine, laufen sie gut?«
Tilas brachte ein kaum merkliches Kopfnicken zustande.
»Ich muss dich das fragen, du weißt schon, die Personalabteilung und so. Sonst müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Ich will doch, dass du wieder mit im Boot bist.«
Tilas streckte den Rücken und sah aus dem Fenster. Er wusste, dass es vorbei war, er hatte nichts entgegenzusetzen.
»Ich habe den Kollegen vom Staatsschutz erklärt, dass du ihnen zur Verfügung stehst, falls sie Fragen haben sollten, aber wir stellen unsere Ermittlungen zu Lindman ein.«
Fahlén war ein großer Freund bürokratischer Kompromisse, sie waren sein Refugium und Lebenselixier. Indem er Tilas zunickte, signalisierte er, dass ihr Gespräch beendet war. Dann griff er erneut nach dem Telefonhörer, als wäre ihre Diskussion eine ungewöhnliche Unterbrechung seiner normalen Arbeitsabläufe gewesen.
Durch das Fenster der Bahn sah Meijtens idyllische Eigenheimsiedlungen vorbeiziehen. Am Vortag war lediglich ein Telefonat erforderlich gewesen, um einen Termin auszumachen. Er hatte Misstrauen erwartet, aber sein Anliegen war freundlich, fast schon begeistert aufgenommen worden.
Er hätte sich natürlich erst mit Bertil Andersson absprechen sollen. In der Welt des stellvertretenden Chefredakteurs war das vermutlich nichts als Zeitverschwendung, das nochmalige Durchkauen einer bereits veröffentlichten Nachricht. Aber Meijtens folgte nicht mehr der Logik von Nachrichtenzyklen. Mittlerweile waren es ganz andere Antriebskräfte, die ihn zu dem verabredeten Treffen gehen ließen.
Er klingelte an der Tür eines alten Reihenhauses. Es hatte Fensterläden und war im englischen Stil erbaut. Die Eberesche in dem kleinen Vorgarten hing noch voller roter Beeren. Er konnte sich eine gewisse Verwunderung darüber nicht verkneifen, was für eine Behausung ein so hingebungsvoller Kommunist wie Johan Rooth gewählt hatte.
Die Tür wurde von einem jungen farbigen Mann mit einem verbindlichen Lächeln geöffnet. Er musste mindestens einen Meter neunzig groß sein, hatte hübsche, markante Gesichtszüge und bewegte sich lässig und elegant. Er rief etwas auf Französisch in das Haus hinein, woraufhin ein älterer Mann zur Tür kam, gestützt auf einen Leichtmetallstock mit drei stabilen Füßen.
»Ah, Tobias Meijtens, nehme ich an.« Der alte Mann strahlte vor Wohlwollen. »Wie überaus nett. Kommen Sie ins Warme.«
Rooth geleitete ihn unter einem steten Strom kurzer Ausrufe in abwechselnd schwedischer und französischer Sprache, je nachdem, mit wem er gerade sprach, ins Haus.
»Haben Sie gut hergefunden? Ich hoffe, es war kein Problem? Veux-tu débarrasser notre ami de son manteau, s ’ il te plaît. So, Jean Claude nimmt Ihren Mantel. Oh, lassen Sie die Schuhe ruhig an, mein Freund. Ça sera tout. Merci. Sprechen Sie Französisch?«
»Bedaure«, antwortete Meijtens.
»Wie schade, wirklich schade. Wissen Sie, Jean Claude kommt aus Haiti und hat noch nicht sehr viel Schwedisch gelernt.«
Meijtens machte eine Geste, um sich für seine sprachliche Unwissenheit zu entschuldigen.
»Jean Claude und ich kümmern uns umeinander«, sagte der alte Mann, während er mit einer gewissen Mühe ins Wohnzimmer vorging.
Meijtens’ Informationen zufolge sollte Rooth fünfundsiebzig sein. Er bewegte sich zwar schwerfällig, doch seine braunen Haare waren nicht nur sorgfältig gekämmt, sondern auch erstaunlich frei von grauen Strähnen. Meijtens überlegte, ob er sie sich wohl färbte. Rooth trug ein Hemd und einen
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