Ein Freund aus alten Tagen
weiter, ohne ihm die geringste Beachtung zu schenken. Tilas stellte fest, dass sein Chef mindestens fünfzehn Jahre jünger sein musste als er selbst. Das Familienbild auf dem Schreibtisch bestätigte seine Annahme, denn es zeigte Kinder im Grundschulalter und eine junge Frau, die dasselbe Reiseführerlächeln hatten wie Fahlén. Eine neue Art von Führungskräften für eine neue Zeit, dachte Tilas.
Als Fahlén schließlich den Hörer auflegte, schenkte er Tilas sein blendend weißes Lächeln und platzierte die Handflächen auf dem Schreibtisch, als stünde er im Begriff, sich hochzustemmen. Doch dies war offenbar nur eine Geste, die seine vitalen Führungsqualitäten symbolisieren sollte, denn er blieb sitzen und lächelte weiter.
»Ich habe hier deinen Bericht.« Fahlén schnappte sich das Dokument und hob es enthusiastisch über seinen Kopf. Tilas stellte fest, dass er das Wort gelesen nicht benutzt hatte.
»Nicht schlecht, mit freundlicher Unterstützung der vierten Staatsmacht.« Er strahlte Tilas weiter an. »Jedenfalls bin ich froh, dass wir diese Geschichte jetzt abhaken können.«
Also deshalb haben wir diese kleine Besprechung, dachte Tilas.
»Das ist aber eigentlich nicht das, was in dem Bericht empfohlen wird.«
Fahlén lehnte sich in seinem Stuhl zurück und trommelte mit den Fingern auf der Armlehne.
»Ich hatte eine Koordinierungsbesprechung mit den Kollegen von der Staatsschutzseite. Die habe ich in letzter Zeit immer öfter. Als Teil der neuen Umorganisation.« Er lächelte wieder, und Tilas fragte sich, warum. Staatsschutzseite, was war das überhaupt für ein neuer Begriff?
»Ich muss dir sagen, dass sie über diese These in 7Plus nicht sehr erfreut waren. Dass dieser Lindman gar kein Spion gewesen sein soll. Sie meinen, dass würde zu einem ziemlichen Durcheinander führen. Ich kann sie verstehen.«
Tilas zuckte mit den Schultern. »Niemand sonst scheint dieser These zuzustimmen.«
Fahlén sah ihn ernst an. »Ehrlich gesagt, waren sie auch nicht sonderlich begeistert über deinen Bericht.«
»Tatsächlich?«
»Sie fanden die Verbindung zu Stiernspetz sehr weit hergeholt. Und unpassend.«
Tilas fragte sich, ob Fahlén selbst eine Meinung dazu hatte, aber das schien nicht der Fall zu sein.
»Zwei Personen stehen im Verdacht, Spione zu sein«, sagte Tilas. »Der eine verschwindet, und der andere bringt sich um. Der verschwundene Mann taucht ein Vierteljahrhundert später unter einem falschen Namen wieder auf. Achtundvierzig Stunden später findet man ihn tödlich verunglückt auf, und in seiner Tasche liegt ein Zettel mit der Telefonnummer der Witwe des anderen Mannes.« Er machte eine kurze Pause. »Also, ich fand das schon bemerkenswert.«
»Du nennst auch Namen.«
»Weil sie in den Ermittlungsakten zu Stiernspetz auftauchen und Verbindungen zu diesem Lindman haben.«
Fahlén schaltete sein einnehmendes Lächeln an. »Natürlich tauchen manche Namen wieder auf. Wir leben in einem kleinen Land. Und die Ermittlungen, auf die du dich berufst, fanden Anfang der Siebzigerjahre statt.«
Tilas entgegnete nichts, es stand ohnehin alles in dem Bericht.
»Du hast doch mit Stiernspetz’ Witwe gesprochen. Hatte sie denn eine Erklärung für die Telefonnummer?«
»Nein, sie sagt, er habe nicht angerufen, und behauptet, dass weder sie noch Stiernspetz ihn gekannt hätten. Das kann man nun glauben oder nicht.«
Fahlén strich sich übers Kinn. »Ich hoffe, du bist behutsam vorgegangen. Es ist sicher nicht leicht, die Witwe eines Mannes zu sein, der als Spion enttarnt wurde.«
»Und als Schwuler«, sagte Tilas in einem neutralen Ton.
Fahlén warf ihm einen forschenden Blick zu. »Der Fall ist wohl eher eine Sache für den Staatsschutz, und die Kollegen meinen, dass Stiernspetz und Lindman ein abgeschlossenes Kapitel sind. Es gibt keinen Grund, das zu bezweifeln.«
»Das tue ich auch nicht, es sei denn, es wäre relevant für meine Ermittlungen zu Lindmans Tod.«
»Schön, ausgezeichnet. Jetzt nähern wir uns allmählich dem Kern des Ganzen. Denn wenn ich recht sehe, gibt es keine Veranlassung, im Fall Lindman von einem Verbrechen auszugehen, und damit auch keine Veranlassung für uns, weiter zu ermitteln. Nicht bei der Arbeitsbelastung, die wir im Moment haben.«
Tilas schloss die Augen halb, und sein Gesicht verriet nichts über seine Gefühle oder Ansichten. »Es ist nach wie vor schwer nachzuvollziehen, dass es ein Unfall oder Selbstmord gewesen sein soll.«
»Andererseits gibt es
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