Ein Freund aus alten Tagen
war, der die Absicht hatte, innerhalb des Staatsapparats Karriere zu machen, und anhand unserer eigenen Informationen konnten wir mit etwas Mühe eine Liste möglicher Kandidaten zusammenstellen. Sie war deprimierend lang und umfasste gut zehn Personen.«
»Sie meinen, dass diese Personen alle Mitglieder in irgendeiner kommunistischen Organisation waren?«
»Überhaupt nicht. Eine solche Liste wäre trotz allem bei Weitem nicht so lang geworden, jedenfalls nicht Anfang der Sechzigerjahre. Außerdem war es wahrscheinlicher, dass die Sowjets dafür gesorgt hatten, Tristan außerhalb der Partei zu halten. Es ging eher um die Teilnahme an irgendeinem Friedenskongress oder die Mitgliedschaft in einer breiter aufgestellten linksgerichteten Vereinigung wie Veritas. Dort herrschte unserer Erfahrung nach eine günstige Atmosphäre für Rekrutierungsversuche.«
»Und Erik Lindman stand auf dieser Liste?«
»Allerdings. Er passte perfekt zu Tristans Profil. Ein radikal denkender Student, der im Außenministerium soeben seine Ausbildung für den diplomatischen Dienst angetreten hatte. Er war nie Mitglied einer Partei gewesen, hatte sich aber, wie Sie wissen, in verschiedenen politischen Organisationen engagiert.«
Ein Windstoß wirbelte Müll vom Erdboden auf. Meijtens schloss für ein paar Sekunden die Augen und konzentrierte sich. Er wollte sicher sein, sich später an jedes kleine Detail in der Geschichte des Mannes erinnern zu können.
»Ich möchte, dass Sie eines verstehen«, fuhr Hansson fort. »Wer auf dieser vorläufigen Liste landete, war nicht automatisch ein Sicherheitsrisiko. Viele von diesen Leuten haben später äußerst verdienstvolle Karrieren gemacht. Keiner von ihnen steht in dem Verdacht, etwas Ungesetzliches zu tun, im Gegenteil. Sie landeten zufällig auf einer Liste, als wir nach Tristan suchten, nach Erik Lindman. Das ist alles.«
Meijtens nickte, und sie flanierten weiter am Wasser entlang.
»Wir konnten die Zahl der Namen auf unserer Liste nach einigen Nachforschungen auf fünf reduzieren und beschlossen, mit jedem der Betroffenen ein kleines Gespräch zu führen.«
»Sie haben die Verdächtigen verhört?«
Hansson lachte kurz in sich hinein. »Nun, Verhör ist nicht unbedingt das Wort, das ich wählen würde. Es handelte sich um sehr informelle Kontakte. Kein Wort über Tristan, über Tipps oder Sicherheitsüberprüfungen. Routinegespräche nannten wir sie. Vorsichtig. Diskret.«
Er betonte jedes Wort mit einem kurzen Kopfrucken.
»Dennoch muss Erik Lindman begriffen haben, was los war. Wir gerieten ins Grübeln, als er das Außenministerium so plötzlich verließ, und wussten nicht, wie wir das deuten sollten. Die Ermittlungen liefen noch, und keiner der Leute, die auf der kurzen Liste standen, war gestrichen worden. Dann verschwand er plötzlich spurlos, und uns dämmerte allmählich, wer unser Tristan war.«
Er studierte Meijtens’ Gesicht, aber nichts in dessen Miene enthüllte, ob diese Schlussfolgerung in seinen Augen logisch erschien.
»Da haben Sie Ihre Erklärung. Das, was Sie nicht verstehen konnten: Warum er seine Karriere im Außenministerium aufgab, warum er verschwand. Er spürte unseren Atem im Nacken. Vielleicht geriet er in Panik, vielleicht holten ihn die Russen heim, um einen Skandal zu verhindern. Jedenfalls war Erik Lindman Tristan, das steht zweifelsfrei fest.«
»Die Russen holten ihn nicht heim«, bemerkte Meijtens. »Er verschwand nach Albanien, in ein Land, das damals schon …«
»Ich weiß, was Sie behaupten, und sicher, es gibt einige lose Enden und Fragezeichen in Detailfragen, aber das Gesamtbild ist eindeutig.«
Sie setzten sich auf eine Bank mit Aussicht auf einen Bootsverein. Es war vollkommen still, und in dem ungemütlichen Herbstwetter schien niemand Lust zu haben, um die kleine Landzunge zu spazieren.
Hansson sprach leise weiter. »Außerdem erhielten wir später Bestätigungen durch andere Quellen.«
»Sie meinen Sorokin?«
»Sieh einer an, Sie wissen davon. Vladimir Sorokin war ein Überläufer von einem ganz anderen Kaliber als der russische Botschaftsbedienstete in Den Haag. Als er 1973 in Kanada um Asyl bat, diente er als Oberst beim KGB und blickte auf eine lange Karriere im Geheimdienst zurück. Es dauerte allerdings ein halbes Jahr, bis die Kanadier seine Informationen über Spionage in Schweden herausrückten. Sie hatten ihn monatelang ausgequetscht und ihn natürlich auch einige Zeit ihren Freunden in Langley überlassen. Wie auch
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