Ein Freund aus alten Tagen
hatte er gesagt. »Wir sollten uns alle bemühen, uns wenigstens ein bisschen Kontakt zur Realität zu bewahren.«
Tilas hob die durchsichtige Tüte an. Sie enthielt die wenigen Dinge, die man als Sven Emanuels Wertsachen betrachten konnte. Sowie Meijtens’ Visitenkarte. Dann griff er zu der zweiten braunen Mappe. Keine Referenznummer, keine Quittung über den Erhalt. Er hatte sie selbst erstellt. Tobias Meijtens hatte er auf die obere Ecke geschrieben. Bisher enthielt sie nur ein Blatt Papier und ein paar Notizen.
Er hatte eine Kriminalanwärterin gebeten, die Straftäterkartei nach Meijtens’ Namen zu durchkämmen. Nichts, nicht einmal Volltrunkenheit oder die Teilnahme an einer verbotenen Demonstration. Aber die junge Kriminalanwärterin, die sich von ihrer besten Seite zeigen wollte, hatte nicht so schnell aufgegeben.
Er nahm den kurz gefassten Bericht in die Hand, der nach Wohnungseinbrüchen erstellt wurde. Es war ein Standardformular, dessen einzige Funktion darin bestand, die Forderungen der Versicherungen zu erfüllen und den Opfern der Straftat gelegentlich das Gefühl zu vermitteln, dass etwas getan wurde. Tilas hatte allerdings festgestellt, dass auch die Bürger in diesem Punkt immer zynischer geworden waren.
Dieser Bericht hatte jedoch sein Interesse geweckt. Das Telefonat mit Meijtens’ Verlobter oder Lebensgefährtin oder was immer sie war, hatte seinen Verdacht bestätigt. Er hatte im Laufe der Jahre schon vieles gesehen. Vandalisierte Wohnungen, in denen Drogensüchtige auf den Perserteppichen ihre Notdurft verrichtet hatten. Diebe, die es auf Briefmarkensammlungen abgesehen hatten und Fernsehapparate stehen ließen. Hier war er jedoch zum ersten Mal auf einen Einbruch gestoßen, bei dem man eine Schmuckschatulle übersehen, aber einen Haufen wertloser Notizbücher minutiös durchgesehen hatte.
Tilas trommelte mit den Fingerspitzen gereizt auf der Visitenkarte herum. Irgendwo da draußen stolperte Meijtens durch die Gegend. Begriff er eigentlich, was um ihn herum geschah? Tilas glaubte es nicht. Die Artikel hatten den wichtigsten Zusammenhang übersehen, zu dem Tilas nicht mehr weiterermitteln durfte. Meijtens musste dagegen keine Rücksicht auf Leute wie Fahlén oder die Geheimniskrämer nehmen, die ihm sagten, was er alles nicht tun durfte.
Tilas schaute sich noch einmal um und griff nach der dritten Mappe.
26 Der Wind wehte durch den Park, und vom Erdboden des Amphitheaters wurden Herbstblätter aufgewirbelt. Die kahlen Steinstufen waren nass und dem Wind schutzlos ausgeliefert. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, hier um diese Jahreszeit irgendetwas aufzuführen.
Es dämmerte. Sie würden diesen Ort ganz für sich alleine haben, dachte Meijtens, als er sich auf den einsamen Parkwegen näherte. Unten am Ufer der Riddarfjärden sah er ein paar Menschen, die mit ihren Hunden Gassi gingen, und von den Schaukeln in einiger Entfernung drang das Geräusch spielender Kinder an sein Ohr.
Es konnte nur der ältere Mann in Öljacke und einem unförmigen Hut aus Tweedstoff sein, der bereits wartete. Hier oben, auf dem höchsten Absatz des Freilichttheaters, hatte er Aussicht auf den Park, und niemand würde sie stören.
»Tobias Meijtens, nehme ich an«, sagte er in einem sanft melodischen schonischen Dialekt und streckte die Hand aus. »Hansson.«
Als sie sich die Hand gaben, lächelte er freundlich. Die Abwesenheit von Vorname und Titel ließ den Namen »Hansson« frei erfunden klingen, aber Meijtens machte sich über den Grad der Vertraulichkeit keine Gedanken. »Sie haben sich zu dieser äußerst ungewöhnlichen Ausnahme bereit erklärt«, hatte Rydman ihm mitgeteilt, und seine Stimme hatte ehrfürchtig, fast unterwürfig geklungen. »Du wirst jemanden treffen, der die ganze Wahrheit über Erik Lindman kennt.«
Der Mann, der sich Hansson nannte, sah Meijtens forschend an, richtete seinen Blick dann jedoch auf den Park.
»Zunächst möchte ich Ihnen zu Ihren Artikeln über Erik Lindman gratulieren und dazu, dass Sie geholfen haben, ihn zu identifizieren. Obwohl wir das ohnehin bald selbst getan hätten.«
Meijtens bedankte sich für das halbherzige Kompliment.
»Hat Rydman Ihnen die Voraussetzungen für unser Gespräch genannt?«
»Sie meinen, dass wir Sie nicht zitieren dürfen? Das hat er.«
Hansson wandte sich wieder Meijtens zu. »Ich bin hier, um Sverker einen Gefallen zu tun. Wir kennen uns schon seit ewigen Zeiten.«
Meijtens schob seine Hände tief in die Taschen seines
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