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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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aus der Plastikflasche. Als er mit dem Frühstück fertig war, wusch er sich in einem Bach und verrichtete seine Notdurft (wie es sich gehörte, mit aller Sorge um die Wasserqualität und etwaige Umweltverschmutzung), die restlichen Stunden des Tages legte er sich auf ein Bett aus Kiefernzweigen und sah in den Himmel.
    Lange Zeit dachte er an gar nichts, dann aber dachte er an Chris Mattingly und den Artikel, den er über das Abenteuer der Tierwaters im primitiven Leben geschrieben hatte. Er hatte es auf das Titelblatt der Zeitschrift Outside geschafft, womit sie schlagartig landesweit bekannt geworden waren, keine Frage. Danach wollte praktisch jedes Presseorgan der USA, von den Illustrierten über die New York Times bis zum Boulevard, von Andrea und ihm wissen, wie sie über den Regenwald dachten, über das Ozonloch, den weltweiten Rückgang der Froschpopulation und das Gefühl, nackt zu sein und sich in einer Laubhütte zu lieben. Der Artikel war über zwölf Seiten lang gewesen, samt Fotos, und jede Zeile hatte eine weitere Schicht Mythos aufgetragen, bis die Kanonisierung perfekt war: sie waren die Heiligen der Bewegung, vergeßt The Fox und die Umweltpäpste Abbey, Leopold, Brower und all die anderen. Tierwater hatte ihn garantiert zwanzigmal gelesen, auf seinem Zellenbett gelegen und ewig die Fotos betrachtet, er erinnerte sich an das Gefühl des Felsens, den Duft der Nachtluft und den Geschmack von Gletscherwasser. Und dann das Titelfoto – er sah es vor sich –: ein Brustbild von ihm selbst und Andrea, die Gesichter verbrannt und verdreckt, sie mit sonnengebleichten Haarsträhnen im Gesicht, alle beide gesund und kräftig aussehend, ein bißchen wie nackte Rockstars auf dem Cover des Rolling Stone . Die reinste Energieladung. Aber was, so fragte er sich, würde Chris Mattingly von dem halten, was er heute nacht vorhatte? Wäre das auch die Tat eines Heiligen? Wäre es ihm ein Titelfoto wert?
    Er döste weg, dann brach die Dunkelheit herein, gemeinsam mit einem feinen Nieselregen, und er setzte sich in den Wagen, um nicht so naß zu werden, hörte Radio und schaltete den Verstand ab. Es war noch zu früh, um zur Sache zu kommen – er wollte frühestens um Mitternacht anfangen, besser noch später. Er versuchte zu schlafen – immerhin würde es eine lange Nacht werden und ein noch längerer Tag, denn er hatte vor, ohne Pause durchzufahren, sobald er fertig war, und er würde brav vor dem Fernseher in seinem Wohnzimmer sitzen, wenn Jimmy Chavez, sein Bewährungshelfer, bei ihm vorbeischaute, um zu fragen, ob er schon gehört habe, was da letzte Nacht in Oregon passiert war.
    Um Viertel nach zwölf ließ er den Wagen an und folgte den sich dahinschlängelnden Schotterstraßen nach Grant’s Pass. Die Adressen von Richter Harold P. Duermer und Sheriff Robert R. Hicks zu finden war kein Problem – beide standen im Telefonbuch –, und wo das Polizeirevier lag, wußte er noch. Er fuhr zweimal am Haus den Richters vorbei, dann parkte er in der nächsten Querstraße, die so dunkel war, daß er sich wie in einer Höhle vorkam. Aus dem Nieseln war inzwischen ein Dauerregen geworden, und als er die lange, asphaltierte Einfahrt des Richters erreichte, glänzte sie wie ein dunkler Fluß im Licht der Lampe über dem Garagentor. Kein Geräusch war zu hören, bis auf das Summen des Transformators auf einem nahen Telefonmast: keine Grillen, keine Frösche, weder der Schrei eines Käuzchens noch das leise Rauschen in der Ferne vorbeifahrender Autos. Tierwater drückte sich in den Schatten und erkundete die Lage.
    Der Richter lebte gut, in einem großen Haus im Kolonialstil oben auf einem Hügel inmitten von Rasenflächen und Blumenbeeten, mit Swimmingpool und Tennisplatz, und Tierwater verübelte ihm das auch nicht. Der Mann war ein Werkzeug der Maschinerie – wieso sollte er es sich nicht gutgehen lassen? Er brauchte ja nur ein paar Demonstranten in den Knast zu schicken, ihre Familien zu zerbrechen und kleine Mädchen zu verängstigen, und irgendwie würden sich derlei großspurige gesetzeshütende Aktivitäten, dank dem Wohlwollen des Holzkonzerns, in etwas Greifbares verwandeln: die Segelyacht im Hafen, den weißen Mercedes 500SL, die Winterferienwohnung in Aspen und dann und wann ein netter Monat in Cancún oder Sankt Moritz und vielleicht noch ein Einkaufsbummel im Big Apple für Frau Richter Duermer höchstpersönlich.
    Im Haus brannte kein Licht, nirgendwo waren Hunde, weder schlafende noch wache. Tierwater

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