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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Bademantels auch. Alles ist naß, immer – naß und verschimmelt, Bücher zerfallen auf den Regalen, Nacktschnecken kriechen aus der Teekanne, selbst unsere Stühle verfärben sich unter dem Hintern grün und setzen Triebe an. Entnervt packe ich Chuy beim Kragen und zerre ihn herein. Ich bin kein geduldiger Mensch.
    »Die, diese Leute...« Eine eher spastische Geste in Richtung der Apartmentsiedlung.
    »Die Typen von Lupine Hill?«
    » Ellos, sí , die Leute, die, die... sie haben encontrado a Petunia. Gefunden, im Wäschekeller.«
    Petunia heißt die Patagonische Füchsin. Sie ist gut achtzig Zentimeter groß, ihre Beine sind schmale rötliche Stöckchen, und eine schwarze Decke aus borstigem Haar liegt über ihr wie ein alter Teppich. Einen Wäschekeller gibt es meines Wissens für je zehn Wohneinheiten in Lupine Hill. Was das Spanisch angeht, so fällt Chuy in diese Sprache zurück, wenn das Unkrautgift die Schneisen in seinem Hirn blockiert, die sein verdrehtes Englisch geschlagen hat.
    »Sie hat, wie sagt man? Etwas gefangen. Im Maul. Vielleicht un gato . Und dann die Leute haben Tür zugemacht. Deshalb wir, wir...«
    »Wir müssen da rüber, und zwar sofort.«
    Triefnaß, grinsend, die Haare aus den Augen streifend: » Sí . Und so fort.«
    Diesen Augenblick sucht sich Andrea aus, um aus dem Schlafzimmer zu kommen, Haare im Gesicht, verschlafener Blick, die Beine nackt bis in die Haarwurzeln – und es sind gute Beine, denn die verliert eine schöne Frau als letztes, kaum Zellulitis und keine nennenswerten Krampfadern. Sie trägt eins von meinen Hemden, wie ich sehe (schwarze Seide, mein schickstes Stück, Geschenk von Mac natürlich, denn Tyrone Tierwater, der Tierpfleger, ist kein Mann für solche Mätzchen), und darunter nichts als das, womit sie geboren wurde. Oder wozu sie sich entwickelt hat. Ich folge Chuys Blick auf das schwarze Hemd und der Stelle weit unten, wo sie die letzten beiden Knöpfe offengelassen hat. Ich sehe ihr Schamhaar, und es ist weiß, weiß wie ein Schneehuhn (auch schon ausgestorben), und dann starren wir beide auf ihr pechschwarz gefärbtes Kopfhaar. Ich muß es zugeben: es ist mir peinlich. Und ehe ich noch recht nachdenke, gehe ich auf sie zu und fasse hin, knöpfe ihr das Hemd zu wie ein verliebter Ehemann. Oder vielleicht wie ein liebestoller Hund – einer mit Mundgeruch und Räude, der aufs Geprügeltwerden auch noch steht. »Andrea«, sage ich, »Chuy. Chuy, das ist Andrea.«
    Chuy staunt sie aus wäßrigen Augen an, als wäre sie einem Tiergehege entsprungen, und jetzt sieht er auch mich argwöhnisch an, bewertet alles in völlig neuem Licht, was wir während der letzten zehn Jahre miteinander getan und beredet haben – die erfrischenden Biere, im Freien gegrilltes Fleisch, die Tiere, die uns in Schwällen von Blut und Scheiße gestorben sind, die Bisse, Prellungen, schwärenden Klauenwunden und die überstürzten Fahrten in die Notaufnahme, Lori und ihr schmachtendes Lächeln und ihre Lust auf Fünf-Sterne-Sake, den seltenen 95er Chardonnay Qupé aus Macs Weinkellern, den wir uns bei besonderen Anlässen zu dritt genehmigten, und Mac selbst – alles eben. Und Andrea, die sieht ihn nur fröhlich an und fragt: »Bleibst du zum Frühstück?«
    Ich sehe, wie Chuy mit dieser Frage ringt, und ich stehe knapp davor, für ihn zu antworten, den George für seinen Lennie Small abgeben, als auf einmal ein furchterregendes Donnern an der Tür ertönt. Wer das ist? Delbert Sakapathian von Apartment 1002B, Avenida Lupine Hill, Santa Ynez, Kalifornien. Es ist ein großer Kerl, Kopf wie eine Billardkugel, jünger als die Jungalten, so um die Sechzig, und mit einer Wampe, wie man sie um die Jahrhundertwende noch öfter gesehen hat, als Junkfood die Standardnahrung war. Heute sehnen sich die Leute nach Fleisch und Fisch und Brokkoli, Süßkartoffeln, Mangold, Weizenkeim, lauter Sachen, die man nicht mehr so leicht kriegt wie früher, und die Schoko-Erdnuß-Taschen, die Limo-Brause-Plätzchen oder die extrascharfen Dorito-Tortilla-Chips mit Fleischaroma nimmt keiner mehr geschenkt. »Sind Sie das?« fragt Delbert Sakapathian und hält mir einen Finger von der Größe eines Spielzeug-Baseballschlägers vors Gesicht.
    Ich habe keine Zeit für dieses Zeug, wirklich nicht, aber wenn ich so Petunia zurückbekomme, dann werde ich zusehen, ob mein Sekretariat einen meiner Vormittagstermine absagen und Mr. Sakapathian hineinquetschen kann. Ich nicke. »Ich bin’s«, sage ich.
    Der Türrahmen ist

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