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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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nicht breit genug für ihn, und außerdem tut der Regen dem Teppich gar nicht gut, ganz abgesehen von dem rötlichen Dreck, der von seinen Gummistiefeln trieft, und der stetigen Wasserzufuhr von seiner Öljacke (da hätten wir gleich noch ein weiteres Unternehmen zum Investieren: Regenbekleidung AG oder vielleicht »Capes›R‹Us«). »Also, verdammt noch mal«, keift er. »Verdammte Scheiße!«
    Und dann mengt sich eine Stimme über meine Schulter hinweg ein, so präzise wie eine Lenkwaffe. »Kriegen Sie sich mal wieder ein«, sagt Andrea, und diesen Tonfall kenne ich gut, wenn er auch nicht an mich gerichtet ist – diesmal nicht, noch nicht jedenfalls. »Und machen Sie die Tür zu, Sie Primitivling – Sie ruinieren hier den Bodenbelag.«
    Die große, triefende Billardkugel duckt sich, Kinn zur Brust, und dann ist Delbert Sakapathian im Zimmer, die Tür fällt donnernd hinter ihm zu. Er hat sich abgeregt, aber nur kurz. »Ihr müßt dieses Vieh, mir egal, was das ist, da rausholen, weil es meine, meine kleine...«, hier schwappt eine Gefühlswelle in seine Augen, und ich glaube, er bricht uns gleich zusammen, »... Pitty-Sing, meine Katze erwischt hat, und ihr solltet, ich meine, ihr müßtet, verdammt noch mal, denn wenn ihr irgendwas passiert, dann werd ich, werd ich...«
    Und dann kämpfen wir gegen den Wind an, wir alle vier, in Regencapes und Stiefeln und Südwestern, wie Teerjacken beim Umschiffen von Kap Hoorn auf einem alten Klipper, nur daß das hier Festland ist – sollte es jedenfalls sein oder war es mal –, und ich hab den Elektroschocker in der einen Hand und Andreas große warme Faust in der anderen. Chuy geht mit dem Drahtnetz voran, mit asthmatischem Keuchen bildet Delbert Sakapathian die Nachhut. Ich bin hoffnungsfroh. Weniger für die Katze – seien wir ehrlich: wenn Petunia das Tier seit mehr als dreißig Sekunden in den Fängen hat, ist es futsch –, sondern für meinen Fuchs und für Patagonien und die leeren Pampas da unten, die Mac und ich eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft wieder bevölkern werden. (Übrigens bin ich nicht verantwortlich für die schwachsinnigen Namen der Tiere hier – sie verdienten ein wenig mehr Würde, finde ich. Nein, daran ist Mac schuld. Er fand es eben nett – »absolut und phantastisch schräg« –, sie alle nach Blumen zu benennen. Einer der Löwen heißt, zu meiner ewigen Schande, Dandelion: »Löwenzahn«.)
    Als wir ankommen – den Hang hinauf, durch die Klauen der kaputten Bäume, durch wahnwitzige Wucherungen invasiver Pflanzen, und hinein in den ständig überschwemmten Keller von Gebäude B, dem »Sunshine House«, wie die Tafel auf der Vorderfront es bezeichnet –, erwartet uns ein Grüppchen von Apartmentbewohnern gespannt vor einer angeschimmelten Sperrholztür, auf der in verblassenden grünen Buchstaben WASCHKÜCHE steht. Es sind ein paar Kids dabei, mit so schmalen, ausdruckslosen Gesichtern, daß sie ebensogut auf die Haut aufgemalt sein könnten, und mehrere barfüßige Frauen, die tapfer im knöcheltiefen friedhofserdefarbenen Sickerwasser stehen. Keiner sagt was. Aber alle treten zurück, als ich an ihnen vorbeiplansche und den Elektroschocker schwenke. »Spann das Netz auf, Chuy«, sage ich und bin zu neunzig Prozent sicher, daß ich mindestens einmal gebissen werde, aber hoffentlich nicht bis auf den Knochen, und Andrea – meine Andrea, seit neustem wieder bei mir und gleich so unwahrscheinlich ehefraulich – flüstert: »Sei vorsichtig, Ty.«
    Natürlich haben wir es hier mit einem Fuchs zu tun. Es ist vielleicht kein normaler Fuchs – eher von der Größe eines Wolfs –, aber eben doch nur ein Fuchs. Es ist nicht so, daß einer der Löwen ausgerissen wäre. Oder Lily, die mir die Wirbelsäule zermalmen und mit einem einzigen Biß die Gedärme herausfetzen kann. Trotzdem, man weiß nie, was passieren wird. »Petunia«, flöte ich mit meiner süßesten Komm-ich-hab-einen-Hühnerrücken-für-dich-Stimme, dabei schiebe ich behutsam mit dem Schocker die Tür auf, und dann sind wir in dem Raum: Waschmaschinen, Trockner, ein paar Spülbecken, und irgend jemandes Socken und BHs hängen aus einem Wäschekorb auf den (sehr nassen) Fußboden.
    Nichts. Wasser tröpfelt, billige Neonröhren flackern, das unausweichliche Pfeifen des Sturms draußen. Und dann ertönt hinter dem Becken zu meiner Rechten das Geräusch einer Kettensäge – falls eine Kettensäge Zunge, Gaumen und Lippen hätte, um ihr eigenes Geräusch abzudämpfen:

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