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Ein Freund des Verblichenen

Ein Freund des Verblichenen

Titel: Ein Freund des Verblichenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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und?«
    »Mein Chef läßt sich scheiden, er braucht einen Zeugen.«
    »Einen Zeugen wofür?«
    »Na, wie soll ich dir das … also, im Grunde, du hast sozusagen mit seiner Frau geschlafen, verstehst du? Du müßtest während der Verhandlung im Gerichtssaal sein und, wenn sie dich fragen, das bestätigen. Sag, der Mann hat dich mit ihr überrascht oder so was in der Art …«
    »Das ist doch eine Falschaussage.«
    »Es ist ja nicht Strafrecht, sondern Zivilrecht.
    Und wer will beweisen, daß du nicht mit ihr geschlafen hast? Sie kann das leugnen, aber beweisen kann sie es auch nicht … Und du wirst so gut bezahlt, daß du ein Jahr lang in Kneipen rumhängen kannst, ohne zu arbeiten. Na?«
    Ich überlegte. Der Vorschlag war nicht sehr verführerisch, aber auf der anderen Seite hatte ich kein Geld in Aussicht, und hier versprach man nicht zu geizen … Natürlich, bei so einer Sache als Zeuge aufzutreten und zu behaupten, mit irgendeiner Frau … Hol’s der Teufel …
    »Wenn du willst, arrangiere ich dir ein Treffen mit dem Chef, und der wird dir alles selber erklären. Danach kannst du dich entscheiden.«
    »Okay«, ich freute mich über die Möglichkeit, die Entscheidung hinauszuzögern. ›Sicher weiß Dimas Chef’ besser, was er braucht‹, dachte ich.
    »Ich gebe ihm deine Telefonnummer«, sagte Dima. Wir verabschiedeten uns.

12
    Sonnabend. Die Bekanntschaft mit Dimas Chef machte ich am nächsten Tag. Morgens rief er mich an, und um drei Uhr saßen wir schon bei mir in der Küche. Genaugenommen lud er mich in meiner eigenen Küche zu mitgebrachtem Wodka und einem Imbiß ein.
    Er war etwa vierzig, groß, glattrasiert, ein typischer Staatsdiener. Hier und da graue Stellen im kurzen schwarzen Haar. Ein ackurat an der oberen Lippe entlang rasierter Schnurrbart. Er hieß Sergej.
    »Sie ist durchgedreht«, erzählte er und trank den Wodka in so kleinen Schlucken, als wäre er nicht von hier. »Sie hat es mir gegeben, schlimmer geht es nicht. Ich weiß, mit wem sie schläft, aber ich will mit dem nichts zu tun haben. Die moralische Frage ist mir hier wichtiger. Ich habe noch Zukunftspläne, ich muß meine Reputation wahren, verstehst du? Vielleicht verlangt man ja nichts von dir, aber falls doch, sagst du ein paar Worte. Denk dran, die Hauptsache ist: Sie hat auf der Brust unter der Brustwarze ein großes Muttermal, ebenso auf dem Po. Das sind so Details, von denen nur intime Freunde wissen können«, lachte er.
    Ich hörte schweigend zu. Die Lust, Geld zu verdienen, war sehr groß, aber die Unlust, in so eine Geschichte verwickelt zu werden, ebenso. Obwohl ich mir im klaren war, daß man ohne Risiko nicht das große Geld verdiente. Hier jedoch gab es ja offensichtlich kein Risiko. Es könnte höchstens einige unangenehme Momente geben. Aber Momente sind eben deshalb Momente, weil man sie schnell vergißt und sie schnell vergehen.
    »Und das allerwichtigste«, Sergej rieb sich die Hände, als wäre es kalt bei mir, »das Honorar. Tausend Grüne. Entscheide dich schnell, für mich ist das sehr eilig.«
    Ich schluckte. Mein bestellter Mord war nur halb so teuer gewesen.
    »Auch wenn du nichts aussagen mußt, bekommst du das Geld«, fügte Sergej hinzu.
    Ich nickte.
    »Gut, da du einverstanden bist, mach dich fertig.«
    »Wozu?« wunderte ich mich.
    »Wir fahren dahin, wo du mit ihr geschlafen hast. Ich zeige es dir und erzähle dir, wann das war. Dann bringe ich dich nach Hause zurück.«
    Wir fuhren mit seinem Opel nach Petschersk. Er zeigte mir seine Wohnung, da gab es was zu bestaunen.
    »Das ist das Schlafzimmer«, er öffnete eine Doppeltür aus buntem Glas. »So, hier hast du meine Frau gevögelt. Das war im August, ich war in den usa. Merk dir das. Da an der Wand hängt ihr Porträt … Ja! Sie heißt Alina. Vergiß das nicht!«
    Über dem Bett hing ein Farbfoto einer sympathischen, aber stark geschminkten Blondine in einem schönen Rahmen.
    »Das ist alles, bitte sehr«, sagte er und seufzte. »Die Gerichtsverhandlung ist am nächsten Montag um zehn Uhr früh. Mein Freund wird dich abholen. Bleib zu Hause und warte auf ihn.«
    Dann fuhr er mich nach Hause, und ich saß lange in der Küche. Draußen war es dunkel, ich hätte schon schlafen gehen können, aber ich fühlte mich zu wach und zu aufgewühlt. Deshalb wurde es ein langer Abend, vielleicht bis zwei oder drei Uhr nachts.

13
    Die Tage nach meinem nicht zustandegekommenen Tod zogen sich unwahrscheinlich lange hin. Es war kaum zu glauben, daß es erst

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