Ein Freund des Verblichenen
hinterlassen.
Abends fuhr ich auf den Kreschtschatik. Als erstes wechselte ich gleich an der U-Bahn die Dollar, dann ging ich Lena-Wika suchen.
Das letzte Mal hatte ich sie auf der kleinen Bank neben dem Kino ›Orbit‹ getroffen. Zweimal lief ich zum ›Orbit‹ und wieder zurück, aber ich fand sie nicht.
Das Päckchen Geldscheine wärmte meine rechte Handfläche, und dann ging ich, um mich richtig aufzuwärmen, in ein Grill-Café auf der anderen Seite der U-Bahn. Ich aß ein halbes Hähnchen mit viel Ketchup … Ich trank einen Doppelten und fühlte mich ziemlich entspannt und ruhig. Und dann ging ich wieder auf dem Kreschtschatik spazieren, auf der Suche nach dem Mädchen, mit dem alles so einfach war.
Erst gegen elf Uhr fand ich sie. Sie sah ein wenig müde aus, aber sie freute sich, als sie mich sah. Wir kauften zwei Flaschen Amaretto, ein paar Tafeln Schokolade, ein Stückchen Salami und fuhren zu mir.
Wir tranken, aßen, sprachen offen und unbeschwert, jeder von seinen Dingen. Ich erzählte ihr von meiner Frau, die mich verlassen hatte, und von meiner Café-Vergangenheit. Sie redete von ihrer Freiheitsliebe und von ihrem Haß auf ihre Eltern und ihren Bruder.
Sowohl in der Nacht wie am Morgen fühlten wir uns wunderbar. Lange hatten wir keine Lust aufzustehen. Dann erhob ich mich trotz allem und brachte ihr Kaffee und Schokolade. Beide hatten wir keinen Grund, uns zu beeilen, aber in einem Moment entstand eine gewisse Ermüdungserscheinung, und sie war zwar noch sehr jung, aber Frau genug, um das zu spüren und begann sich fertigzumachen.
»Wenn du willst, rufe ich dich an«, sagte sie, als sie den Telefonhörer entdeckte, der friedlich auf dem alten schwarzen Apparat ruhte.
Ich willigte freudig ein und schrieb ihr meine Nummer auf einen Zettel.
»An deiner Stelle würde ich das Schloß in der Wohnungstür auswechseln«, sagte sie beim Hinausgehen.
Ich nickte. Das schien mir ein vernünftiger Gedanke.
Wieder nahm sie nicht den Lift, ich lauschte ihren Schritten im Treppenhaus. Dann kehrte ich in die Wohnung zurück.
Ein weiterer früher Herbstabend brach an. Aber jetzt war in meinem Leben ein angenehmes Moment der Erwartung aufgetaucht, der Erwartung ihres Anrufs.
14
Morgens klingelte das Telefon. Aber es war nicht Lena. Es war Dima, der verbissen auf seinem Vorschlag beharrte, den Abend mit ihm zu verbringen. Widerwillig sagte ich zu.
Draußen schien eine kraftlose Sonne. Es war trocken und offensichtlich kühl.
Nachdem ich die von den zwanzig Dollar übriggebliebenen Geldscheine gezählt hatte, griff ich unter die Wanne und zog den nächsten Zwanziger hervor.
Das Leben ging weiter. Für das Frühstück hatte ich Tee und Schokolade. Eigentlich hatte ich aber Lust auf Fleisch. Ich fand eine alte Einkaufstasche, schüttelte sie auf dem Flur auf den Boden aus – das letzte Mal, vor über einem Monat, hatte ich mit ihr Kartoffeln vom Markt geholt –, dann fegte ich den Sand mit einem Strohbesen in die Ecke neben der Wohnungstür.
Im nächsten Lebensmittelgeschäft gab ich sehr schnell die letzten Scheine aus. Es reichte für ein Kilo Rindfleisch, einen frischen Brotlaib und Kefir. Zu Hause fügte ich den Rindfleischknochen ein paar in der Küche gefundene Kartoffeln und drei Zwiebeln hinzu und bereitete mir eine wunderbar leichte Suppe. Die ließ ich köcheln und ging ins Zimmer, wo ich in Erwartung meines steigenden Appetits alte Zeitschriften durchblätterte. Der Appetit stellte sich gegen drei Uhr ein, und ich aß mit großem Vergnügen zwei Teller Suppe und einen großen Kanten frisches Brot. Praktisch aus dem Nichts, aufgrund einer einfachen Suppe mit einem Stück knusprigem Brot empfand ich ein Glücksgefühl.
Wieder begann ein früher Oktoberabend, aber er begann nicht so wie in früheren Zeiten. Es gab keine brennenden Straßenlaternen mehr. Eine neue Sparmaßnahme.
Ich fuhr nach Podol in das Café auf der Bratskaja-Straße. Auf dem Kontraktowaja-Platz wechselte ich die Dollar und lief mit dem warmen Päckchen Geld in der Jackentasche die Straßenbahnschienen entlang.
Aus der Tür und den Fenstern des Cafés drang ein schwaches Licht auf die Straße. Gleichzeitig hörte man hinter den geschlossenen Türen das Gelächter und das Gemurmel der Besucher.
Obwohl im vorderen Raum alle Tische besetzt waren, mußte man nicht anstehen. Ich sah in den hinteren – da konnte ich noch ein Plätzchen ergattern.
Ich ging zur Theke, bestellte mir einen Mokka, einen großen. Und erinnerte an
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