Ein frivoler Plan
und er klang sehr befriedigt. „In Indien gibt es Studien, sogenannte Sutras, die Männer und Frauen den Umgang miteinander lehren. In China gibt es so etwas auch. Erinnerst du dich an mein Kabinett mit dem Yin-Yang-Zeichen?“ Er drehte Julia auf die Seite und legte einen Arm um sie. Sie wartete darauf, dass er fortfuhr, neugierig mehr zu erfahren über solche Studien.
„In China ist die Frau das Yin und der Mann das Yang. Während des Liebesaktes ist es die Aufgabe des Mannes, die Frau dazu zu bringen, ihre Essenz zu verlieren, ohne dass er seine eigene einbringt. Wenn nur die Frau den Höhepunkt erlebt, ist das der Fall.“
Julia stieß gegen seine Schulter. „Das klingt absolut überheblich und nicht sehr angenehm für den Mann, wenn er – wie hast du das genannt? – den Höhepunkt nicht erleben darf.“ Sie probierte das neue Wort aus.
„Das ist der Punkt“, erklärte Paine. „Das Yin einer Frau zu erreichen, ohne selbst den Höhepunkt zu erleben, macht einen Mann stark und verlängert das Leben. Es kennzeichnet einen geschickten Mann, wenn ihm so etwas gelingt. Es wird berichtet über Männer, die den Akt mit bis zu vierzehn Frauen vollzogen haben, ehe sie ihr Yang vergossen.“
Julia stützte sich auf einen Arm und sah ihn fragend an. „Also hast du letzte Nacht und gerade eben mein – äh – Yin gestohlen?“ Sie hatte gespürt, dass er ebenso wie sie nichts zurückgehalten hatte, und es wäre für sie eine persönliche Enttäuschung gewesen zu erfahren, dass sie in gewisser Weise betrogen worden wäre.
Paine lächelte. „Nein, meine Zauberin, ich habe ebenso viel gegeben, wie ich genommen habe.“ Paine verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Dann hast du mir die Jungfräulichkeit genommen und ich dir die Unsterblichkeit“, erklärte sie sachlich.
Paine lachte leise. „Ich vermute es, aber ich nehme auch an, dass ich bereits sterblich war. Dies sind sehr alte Lehren. Manche sagen, sie gehen zurück bis ins dritte Jahrhundert vor Christus. Seitdem haben die Chinesen ihre Meinung geändert. Sie haben entdeckt, dass es den Männern keine Erben beschert, wenn sie den Frauen das Yang verweigern. Jetzt haben sie sich mit ihren Lehren mehr denen aus Indien angenähert.“
„Es werden also keine Essenzen mehr gestohlen?“, fragte Julia, die sich für dieses Gespräch zusehends erwärmte.
„Kein Stehlen mehr, nur noch Geben. Im Hinduismus – das ist die Hauptreligion in Indien – wird der Liebesakt als eine Metapher für die Beziehung zu Gott angesehen. Er ist spirituell und heilig.“
„Ich glaube, ich bevorzuge den indischen Weg.“ Sie hatte die Worte ausgesprochen, ehe sie über ihren Sinn nachdenken konnte. Sofort bedauerte sie das.
Paine würde glauben, sie hätte damit etwas Besonderes gemeint, etwas wesentlich Persönlicheres, als sie es bei ihrem Tun beabsichtigt hatte. Um von ihrem Fehler abzulenken, setzte sie sich auf und ließ ihr Haar nach vorn fallen. Sie machte keine Anstalten, es aus dem Gesicht zu streichen. Der Vorhang verbarg ihr Gesicht, was ihr gerade recht war. Sie hatte bekommen, weswegen sie hierhergekommen war – sie war entehrt, hatte aber außerdem mehr gelernt, als erwartet. Ihr war klar, dass sie für ihr neu erworbenes Wissen in der englischen Welt keine Anwendung finden würde.
Es war längst Zeit zu gehen, und Paine Ramsden erschien ihr nicht als jemand, der auf weibliches Jammern wohlwollend reagierte. Sie wusste, er gehörte zu jenen Männern, die schwer zu halten waren. Er tat niemals etwas um der Tradition oder des Protokolls willen. Er arbeitete nach einem ganz anderen Standard. In dieser Beziehung waren die Gerüchte über ihn richtig, obwohl vieles von dem, was sie gehört hatte, nicht dem entsprach, was sie erlebt hatte. Sie sollte einfach ihr Kleid anziehen und dann fortgehen, mit so viel Würde, wie sie aufzubringen vermochte.
5. KAPITEL
Julia ging quer durch den Raum zu ihrem Kleid, um das sie früher am Morgen gerangelt hatten. Während sie ihre Unterkleidung anlegte, warf sie verstohlen einen Blick zu Paine hinüber. Er hatte sich auf einen Arm gestützt, sein Hemd stand offen, sein Haar war zerzaust. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, und der Anblick von so viel unverhüllter, befriedigter Männlichkeit war erregend. Julia fühlte, wie ihr heiß wurde.
„Was machst du da, Julia?“, fragte er leise.
„Ich ziehe mich an.“
„Das sehe ich. Aber warum tust du das? Ich werde dich nur wieder ausziehen.“
„Paine, ich gehe
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