Ein frivoler Plan
getan?“, fragte sie.
Sofort öffnete Paine die Augen und richtete sie auf Julia. Er wirkte hellwach, die blauen Augen leuchteten, und all das bewies, dass sie recht gehabt hatte. Er hatte nicht geschlafen. „Was getan?“
„Beschlossen, nach Hause zu fahren.“
„Es gab keine andere Möglichkeit. Die Entscheidung war ganz einfach“, erklärte Paine geradeheraus. „Mir fiel kein Ort ein, der sicherer ist als das Haus meines Bruders.“
„Wird er sich freuen, uns zu sehen?“, fragte Julia, die wissen wollte, welche Art von Empfang sie erwartete.
Paine lächelte etwas schief. „Auf seine Art wohl schon, denke ich. Keine Sorge, Julia. Er wird dich lieben.“
„Was wirst du ihm über mich erzählen?“
„Ich werde ihnen die Wahrheit sagen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass mein Bruder über meine neueste Begegnung mit Oswalt sehr erfreut sein wird.“ Paines Miene verfinsterte sich. „Aber er wird uns helfen.“
„Oh“, sagte Julia leise. Einen Moment lang hatte sie gedacht, er würde seiner Familie die Geschichte erzählen, die sie erfunden hatten über Liebe auf den ersten Blick. Es fühlte sich unerwartet enttäuschend an, die Wahrheit so laut ausgesprochen zu hören. Aber sie nickte, als hätte sie genau damit gerechnet.
Paine schien sich dazu nicht weiter äußern zu wollen, daher redete Julia weiter. „Wie ist dein Bruder so?“
„Welcher? Wie du weißt, habe ich zwei. Peyton, den Earl, und Crispin, der ebenfalls älter ist als ich. Möglicherweise sind sie beide zu Hause. Crispin mag den Trubel in der Stadt während der Saison nicht, und Peyton wird nicht vor Ende Juni in die Stadt kommen. Er schiebt es immer so lange wie möglich hinaus. Jedenfalls tat er das früher.“
Einen Moment lang kämpfte Julia mit Furcht. Was, wenn sie den ganzen Weg zurückgelegt hatten und der Earl gar nicht zu Hause war? „Besteht die Möglichkeit, dass dein Bruder schon nach London gefahren ist?“
Paine schüttelte den Kopf. „Nein, eine Nachricht, die ich vorher an sein Stadthaus geschickt hatte, kam zurück, und der Bote berichtete, der Türklopfer wäre abmontiert. Um sicherzugehen, hatte ich zwei Nachrichten geschickt – eine in die Stadt und eine aufs Land.“
Julias Anflug von Furcht ließ nach. Aber andere Sorgen machten sich bemerkbar. „Ich bin also zu einem Junggesellenanwesen unterwegs und werde mit drei Brüdern unter einem Dach wohnen.“ Julia versuchte, das leichthin zu sagen. Es erschien ihr lächerlich, sich zu diesem späten Zeitpunkt plötzlich um den Anstand zu sorgen. Genaugenommen hatte sie schon alle Regeln gebrochen, die für eine Debütantin galten. Es war gänzlich unlogisch, sich jetzt wegen solcher Kleinigkeiten zu sorgen. Doch von alten Gewohnheiten trennte man sich schlecht.
Paine lachte. „Peyton hat unsere Cousine Beth überredet, zu ihm zu kommen. Meine Tante Lily sagte mir, dass Beth den Haushalt führt, und dieses Arrangement ist Peyton weitaus lieber, als sich eine Braut zu suchen.“
Julia dachte an die hochgewachsene, würdevolle ältere Frau, die sie in jener Ballnacht aus der Ferne an Paines Seite gesehen hatte. Das musste Tante Lily gewesen sein. Sie und Paine besaßen das gleiche rabenschwarze Haar und waren sehr entspannt miteinander umgegangen. „Warum heiratet er nicht? Cousine Beth kann ihm den Haushalt führen, aber sie kann ihm keine Erben schenken.“ Die meisten Männer, die sie kennengelernt hatte, waren sehr darauf bedacht, einen Nachfolger für die Familie zu zeugen.
Doch Paine schob ihren Einwand beiseite. „Vielleicht hat Peyton noch nicht die richtige Frau gefunden. Nun, in diesem Falle wäre Crispin ein bewundernswürdiger Erbe. Die Familie wird weiter bestehen.“
Paine beugte sich vor und zog einen Vorhang zurück, um das heller werdende Licht zu betrachten. „Bald werden wir Halt machen und uns erfrischen können“, sagte er, offensichtlich mit der Absicht, das Thema zu wechseln. Julia musste mit dem zufrieden sein, was sie erfahren hatte, obwohl seine Antworten nur noch mehr Fragen aufgeworfen hatten.
Anders als zu Tante Lily hatte er offenbar in den Monaten, die er in England verbracht hatte, zu seinen Brüdern keinen Kontakt aufgenommen. Sie fragte sich, warum. Es war unübersehbar, dass er ihnen Zuneigung entgegenbrachte und sich dafür interessierte, was in seiner Familie vorging. War dieser Mangel an Kontakt von beiden Seiten aus entstanden? Hatte der Earl versucht, Kontakt zu Paine aufzunehmen? Gewiss wusste er,
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