Ein frivoler Plan
sie aufnehmen und beschützen würde.
Ihr Instinkt hatte sie zusammen mit Paine Ramsden auf einen abschüssigen Weg geführt, und lag nicht ausschließlich an ihren Problemen mit Oswalt. Ob es gut oder schlecht war, sie hatte sich erlaubt, in Paine mehr zu sehen als ein Mittel zum Zweck. Ob diese Entscheidung leichtsinnig gewesen war, würde sie noch herausfinden.
Zu Hause hatte sie Mädchen gekannt, die für junge Männer aus dem Dorf geschwärmt hatten, und in dieser Schwärmerei hatten sie ganz unrealistische Bilder von dem Objekt ihrer Zuneigung entwickelt, nur um alle Illusionen zu verlieren, wenn ihre Phantasien sich nicht erfüllt hatten. Hatte sie das auch mit Paine Ramsden getan? Hatte sie in ihrer Panik sich so verzweifelt nach einem Helden gesehnt, dass sie all seine Eigenschaften auf Paine projizierte?
Dieser Fehler konnte selbst dann leicht passieren, wenn sie sich ihre schwierige Situation wegdachte. Er sah geradezu sündhaft gut aus und besaß alle Merkmale eines Romanhelden: Er war ein Mann mit sündhafter Vergangenheit, ein Mann, vor dem anständige Frauen gewarnt wurden – das perfekte Geschöpf, um durch die wahre Liebe geläutert zu werden.
Doch in der Läuterung lag das Problem. Julia konnte sich nicht vorstellen, dass Paine auf Läuterung wartete, was auch immer er für eine Geschichte um sie beide herum gesponnen hatte. Unter den Lidern hervor blickte sie ihn an. Auch er schlief nicht, obwohl er die Augen geschlossen hielt. In seiner Haltung lag eine Anspannung, die seine Ruheposition Lügen strafte. Er wartete auf etwas, aber mit Läuterung hatte das nichts zu tun.
Nein, Paine Ramsden schien ganz zufrieden zu sein mit seinem Leben, mitsamt den Sutras und allem anderen. Als sie in die Spielhalle gegangen war und ihn auf sich hatte zu kommen sehen, mit seinen hochgerollten Hemdsärmeln, ganz lässig und voller Selbstvertrauen, schien er mit seiner Welt ganz im Einklang zu stehen. Er hatte seinen Platz gefunden. Julia hielt es für recht unwahrscheinlich, dass irgendetwas oder irgendjemand Paine dazu bringen könnte, das aufzugeben. Ein normales Leben konnte für einen Mann, der gern „den Bambus spaltete“, kaum verlockend sein.
Vielleicht lag in dieser Normalität der Grund für seine Abneigung gegen die ton . Der Lebensstil, der sich für einen jüngsten Sohn geziemte, wäre für einen Mann seiner Lebensart vermutlich zu beengend, zu reglementiert. Die Entscheidung, sich von der Gesellschaft abzugrenzen, hatte ihn auch dazu genötigt, sich von seiner hoch angesehenen Familie abzugrenzen. Eine schwierige Entscheidung, und eine, die jener nicht unähnlich war, die Julia selbst kürzlich getroffen hatte.
Natürlich konnte es sein, dass sie in Paines Verhalten zu viel interpretierte durch ihren Wunsch, Ähnlichkeiten zwischen ihm und sich zu entdecken. Vielleicht sah sie wirklich einen Helden in einem Mann, der gar nicht in dieses Licht gerückt werden wollte. Vielleicht mochte er seine Familie einfach nicht. Die Wahl, sich von ihr fernzuhalten, könnte ihm ganz leicht gefallen sein.
Abgesehen von dem bisschen Gerede der ton , das Debütantinnen hören durften, und den Informationen, die sie im „Debrett’s“ gelesen hatte, wusste sie wenig über seine Familie. Sein Bruder war der Earl of Dursley, und Paine war der jüngste von drei Söhnen. Und dann gab es da noch den Skandal, der Paine zu verfolgen schien. Julia hatte keine Details gekannt, als sie beschloss, Paine aufzusuchen, nur dass er zwölf Jahre zuvor in eine Auseinandersetzung um die Ehre einer Frau verwickelt gewesen war. Julia wusste nicht, worum es dabei ging. Aber auf den Streit war ein Duell gefolgt, und das Ganze war zu einem öffentlichen Spektakel geworden. Nachdem das Duell den Behörden bekannt wurde, war Paine ins Exil gegangen. Das waren Julias bruchstückhafte Informationen. Von Paine selbst hatte sie erfahren, dass es Oswalt gewesen war, mit dem er gestritten hatte.
Sie fragte sich, was es ihn jetzt kosten mochte, nach Hause zurückzukehren und seiner Familie gegenüberzutreten. Während seiner Zeit im Ausland hatte er zwar etwas aus sich gemacht, aber die Vergangenheit war machtvoll und ließ sich nicht einfach abschütteln. Doch um ihretwillen hatte er nicht gezögert. Sie hatte es nicht vorgeschlagen, tatsächlich war ihr gar nicht bewusst gewesen, welche Gefahr ihr in London drohte.
Julia gab es auf, so zu tun, als ruhte sie aus. Sie setzte sich in den Lederpolstern kerzengerade hin. „Warum hast du das
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