Ein frivoler Plan
erschien ihr seltsam, dass jene sie gesehen und trotzdem nicht zu ihr gekommen waren. Wären sie tatsächlich besorgt gewesen, hätten sie sie dann nicht zumindest begrüßt? Am schlimmsten aber war die Erkenntnis, dass, wenn ihre Cousins es wussten, Oswalt es auch wusste. Julia unterdrückte die aufsteigende Furcht.
„Ich war mit Lady Bridgerton zusammen“, verteidigte Julia sich und präsentierte die Geschichte, die sie und Paine vorbereitet hatten. Es war keine richtige Lüge. Sie war bei Lady Bridgerton gewesen, allerdings nicht so lange, wie ihre Tante und ihr Onkel jetzt annehmen würden. „Ich habe entschieden, dass ich Mortimer Oswalt nicht heiraten werde.“ Bei dieser Erklärung konnte sie ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Es tat gut, das endlich auszusprechen. Sie fühlte sich stark. Obwohl sie wusste, dass es diesmal Paines Gegenwart war, die ihr Kraft verlieh. Doch das bedeutete, dass sie einen Verbündeten hatte, und das war das Entscheidende. Jetzt konnten sie sie nicht dazu zwingen, Oswalt zu heiraten. Sie konnten sie nicht einfach in ihr Zimmer sperren.
Bei dieser Neuigkeit rang Tante Sara die Hände. „Oh Liebes, verstehst du denn nicht? Du kannst das nicht allein entscheiden. Was ist nur in dich gefahren, Julia? Du bist immer so ein liebes, folgsames Mädchen gewesen. Jetzt weigerst du dich, eine Ehe einzugehen, die dein Onkel für dich arrangiert hat, und bist wochenlang ohne eine Nachricht verschwunden. Wir haben uns fast zu Tode geängstigt!“
Ihre Tante sah tatsächlich aus, als hätte sie große Sorgen durchgemacht. Sie wirkte müde und angespannter als gewöhnlich. Julia fühlte sich schuldbewusst. „Ich wollte niemandem wehtun. Ich musste mir nur über meine Gefühle klar werden“, sagte Julia.
„Wer ist dieser junge Mann?“ Tante Sara wandte sich an Paine.
„Ich bin Paine Ramsden. Lady Bridgertons Neffe“, erklärte Paine höflich.
Onkel Barnaby stellte seine Teetasse ab und betrachtete Paine mit derselben Miene, mit der man auf eine giftige Schlange reagierte. „Julia, was du getan hast, ist sehr ernst.“ Auch ihm sah man die Bürde der Sorgen an. „Wir haben einen Vertrag mit Mortimer Oswalt. Er hat für jedes Kleid bezahlt, das oben in deinem Schrank hängt. Er erwartet eine wohlerzogene Braut. Ich habe ihm mein Wort gegeben, und du hast sein Vertrauen zu mir zerstört.“
„Dann brich den Vertrag, Onkel“, erwiderte Julia ungerührt und brachte damit den Punkt zur Sprache, den sie klären mussten. Dieser Teil des Gesprächs würde nicht angenehm sein, und sie müsste sehr deutlich werden. Eine andere Möglichkeit jedoch gab es nicht.
Wie erwartet traten Onkel Barnabys wässerige blaue Augen hervor, als sie von der Möglichkeit sprach, den Vertrag zu brechen. Er brauste auf. „Ein Ehevertrag kann nicht einfach gebrochen werden! Weißt du, welche Folgen das hätte? Ich würde Oswalt all seine Ausgaben für dich erstatten müssen, Julia, und alles, was er der Familie vorgestreckt hat wegen der Aussicht auf eine Ehe mit dir.“
„Du könntest das Geld doch zurückgeben“, meinte Julia versuchsweise und hoffte, auf diese Weise herauszufinden, wie viel ihr Onkel Oswalt schuldete.
„Dummes Mädchen! Oswalt hatte recht. Diese Art von Transaktionen sind zu kompliziert für den weiblichen Verstand. Alles Geld ist verbraucht. Wir mussten von irgendetwas leben, bis Gray zurückkehrte, und Oswalts Geld kam da gerade recht. Schließlich war das eine Vorauszahlung auf das, was er uns schuldet. Wir mussten es nicht zurückzahlen. Es gehörte uns.“ Onkel Barnabys schwaches Kinn zitterte. „Zumindest gehörte es uns, bis du fortliefst und Oswalt begann, das Geld zurückzufordern. Jetzt schulden wir ihm Grays Fracht, außer, du heiratest ihn.“
Julia schluckte schwer. Mehr als einmal hatte Paine ihr diesen Teil von Oswalts Plan erklärt, aber nur schwer vermochte sie jetzt den verzweifelten Unterton in der Stimme ihres Onkels zu ertragen, vor allem, da er in ihr den Grund für all das Übel sah.
Heiter ließ sich die Tante vernehmen. „Jetzt wird alles wieder gut, Barnaby. Unsere Julia ist wieder da, und sie kann Oswalt zurückgewinnen.“
Julia faltete die Hände im Schoß und richtete sich auf. „Ich fürchte, das ist nicht mehr möglich. In dem Vertrag steht ausdrücklich, dass er eine jungfräuliche Braut verlangt. Dieser Forderung entspreche ich nicht mehr.“
Tante Sara schrie leise auf. Onkel Barnaby blickte zu Paine. „Sie Schurke, dass sie ein
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