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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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Lebensmittelkarten bis zu kostenlosen Wohnungen, Alik aber hatte es fertiggebracht, fast zwanzig Jahre lang als sorgloses Vögelchen zu leben. Er arbeitete unbeschwert und im verborgenen, so daß viele glaubten, er lebe von der Hand in den Mund, einfach in den Tag hinein. Am meisten ärgerte das nicht diejenigen, die ehrlich arbeiteten, sondern die notorischen Nichtstuer und ausgekochten Betrüger.
    Jedenfalls hatte er nie eine Versicherung, genauso wenig wie eine feste Arbeit, und darauf war nun auch nicht mehr zu hoffen: Jetzt war er weniger als zu irgendeiner Zeit in der Lage, tagelang in endlosen Korridoren in Warteschlangen zu sitzen, um die notwendigen Papiere zu bekommen.
    Zum Glück hatte das amerikanische System der medizinischen Versorgung, ausgeklügelt und computergestützt, ein paar Schlupflöcher, durch die man hineinkam.
    Die ersten Blutuntersuchungen wurden mit fremden Papieren gemacht. Das Blut schwieg.
    Die erste Krankenhauseinweisung organisierten sie direkt von der Straße weg, per Notarzt. Dazu inszenierten sie ein kleines Spektakel. Der Inhaber des Cafes gegenüber rief den Notarzt an und erklärte, vor seiner Tür sei ein Mann bewußtlos umgefallen. Der Mann legte sich auf drei zusammengeschobene Stühle, ließ seinen roten Pferdeschwanz herunterbaumeln, zwinkerte dem Inhaber des Cafes zu, der sein Freund war, und wartete etwa fünf Minuten auf den Arzt. Er wurde mitgenommen und untersucht und bekam für die Zeit des stationären Aufenthalts eine Krankenversicherung.
    Behandelt wurde er von Neuropathologen, die ihn an den Tropf hängten und ihm die nötigen Medikamente injizierten. Das alles war ziemlich öde, und Alik machte sich aus dem Krankenhaus davon. Fima tobte: Egal, was war, die Verschreibungen waren in Ordnung, sie behandelten zwar nur die Symptome, aber etwas anderes war auch nicht drin, solange die Diagnose nicht feststand. Fima beharrte darauf, daß Alik wieder ins Krankenhaus mußte, und die einzige Möglichkeit dafür war ein kleiner Bluff. Fima organisierte ihm flugs eine kleine Fistel am Schlüsselbein, und Alik reklamierte sie als Folge einer falschen Behandlung. Das städtische Krankenhaus war zwar nicht privat, aber trotzdem nicht erpicht auf eine Klage, und er wurde wieder aufgenommen.
    So zog sich alles hin. Alik ging ins Krankenhaus, kam wieder raus, ging wieder rein, kam wieder raus. Schwer zu sagen, ob die Behandlung anschlug, denn wer weiß, wie es ohne sie ausgesehen hätte. Aber der rechte Arm baumelte schon leblos herab, und mit der linken Hand konnte er kaum noch den Löffel zum Mund führen. Sein Gang veränderte sich. Er ermüdete schnell. Stolperte oft. Dann fiel er das erstemal hin. Und das alles ging beängstigend rasch. Im Frühjahr darauf konnte er schon kaum noch laufen.
    Der zweite Krankenhausaufenthalt war schon bedeutend schwieriger zu organisieren. Alik wurde in Bermans Labor gebracht, und der rief den Notarzt an, in seiner Sprechstunde sei ein Schwerkranker. Der Notarzt verlangte eine schriftliche Garantie, daß der Patient nicht auf dem Weg ins Krankenhaus sterben würde. Berman, der die landesüblichen bürokratischen Gepflogenheiten kannte, hatte den Brief schon vorbereitet. Er begleitete Alik, und glücklicherweise war die Hauptperson, auf die es ankam, die Krankenschwester, eine Bekannte von Berman, eine alte Irin, schroff, mürrisch und ein reiner Engel. Sie überwies ihn in das chinesische Krankenhaus, das als beste staatliche Klinik galt. Sie konnten also von Glück reden, und in der ersten Woche lebte Alik auf; neben den konventionellen Methoden wurde er mit Akupunktur und Moxibustion behandelt, es sah sogar so aus, als würde die Sensibilität der Hände wiederhergestellt.
    Jetzt saßen Fima und Berman in der häßlichen Küche, zwischen schmutzigen Tassen und quicklebendigen Kakerlaken. Sie stellten keine Hypothesen mehr auf: eine amyotrophische Lateralsklerose, eine Virusinfektion des Stammhirns, etwas rätselhaft Onkologisches . . .
    Berman war ein ganz gut aussehender Mann, obwohl er etwas von einem großen Affen hatte: breite, hängende Schultern, einen kurzen, plumpen Hals, lange Arme; sogar sein Mund saß straff über riesigen Zähnen. Fima war knorrig, aus seinem zerfurchten Gesicht blickten klare, helle Augen erwartungsvoll auf Berman.
    »Nichts, Fima. Gar nichts macht man in solchen Fällen. Ein Sauerstoffkissen.«
    »Das Ersticken kann sehr langsam vor sich gehen. Sehr qualvoll.«
    »Gib ihm Morphium oder so was.«
    »Gut, alles

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