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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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getränkt.
    Vater Viktor stellte sein Glas auf den Boden und redete weiter:
    »Im männlichen Glauben geht es um Streit. Erinnern Sie sich an Jakobs nächtlichen Zweikampf mit dem Engel? Ein Krieg für sich selbst, um auf die nächste Stufe zu gelangen. In diesem Sinne bin ich Evolutionist. Die Idee der Rettung ist doch allzu pragmatisch, finden Sie nicht?«
    Alik hatte den Eindruck, der Priester sei angesäuselt. Er konnte nicht sehen, daß er nicht einmal an seinem Glas genippt hatte. Aber Alik spürte Wärme im Magen, und das war angenehm, denn seine Empfindungen wurden immer rarer.
    »Ich glaube, der unvergleichliche Serafim Sarowski hat genau diesen Kampf für den Glauben als › Erringung des Heiligen Geistes ‹ bezeichnet. Ja. . .« Er verstummte, traurig und nachdenklich.
    Er wußte genau, daß er nicht die geistliche Berufung besaß, die sein Großvater gehabt hatte.
    Die indianische Musik, von sich selbst erschöpft, hatte aufgehört. Nun drang schöner, menschlicher Lärm durchs Fenster.
    Wie schwach ich geworden bin, dachte Alik.
    Irgendwie rührte ihn dieser gutherzige und tapfere Mann. Warum er ihm tapfer vorkam, darüber mußte er nachdenken . . . Vielleicht weil er keine Angst hatte, lächerlich zu wirken.
    »Nina bekniet mich, ich soll mich endlich taufen lassen. Sie weint. Sie mißt dem große Bedeutung bei. Aber meiner Ansicht nach ist das eine leere Formalität.«
    »Nicht doch, nicht doch! Für mich sind ihre Argumente sehr überzeugend. Aber ich habe leicht reden«, er breitete verlegen die Arme aus, als geniere er sich seiner Privilegien, »ich weiß ganz sicher, daß zwischen uns ein Dritter existiert.« Er wurde noch verlegener und rutschte auf der Fußbank hin und her.
    Tödliche Wehmut erfaßte Alik. Er spürte keinen Dritten. Und überhaupt, den Dritten, den gab’s nur in Witzen. Auf einmal quälte es ihn sehr, daß seine dumme Nina etwas fühlte und der gutmütige Priester auch, er aber, Alik, fühlte es nicht. Er empfand die Abwesenheit dieser Anwesenheit mit einer Intensität, mit der die Anwesenheit selbst womöglich kaum zu empfinden war.
    »Aber ich bin bereit, ihr den Gefallen zu tun.« Alik schloß die Augen vor tödlicher Müdigkeit.
    Vater Viktor rieb den beschlagenen Fuß seines Glases an seiner Hose trocken und stellte das Glas auf den Tisch.
    »Ich weiß nicht, wirklich, ich weiß nicht, verweigern kann ich Ihnen das nicht, Sie sind schwer krank. Aber irgendwie geht es so nicht. Gestatten Sie mir, darüber nachzudenken. Wissen Sie, lassen Sie uns gemeinsam beten. Wie wir es vermögen.«
    Er öffnete sein Köfferchen, nahm sein Priestergewand heraus, zog Leibrock und Epitrachelion über seine Zivilkleidung und band sich langsam die Manschetten zu. Dann küßte er das schwere Brustkreuz, mit dem sein verstorbener Großvater ihm den Segen erteilt hatte, und hängte es sich um.
    Alik lag mit geschlossenen Augen da und sah nicht, wie Vater Viktor sich veränderte, wieviel schlanker und älter er nun wirkte. Der Priester wandte sich zu der kleinen Gottesmutter aus Wladimir, einem schlechten Druck mit verwaschenen Farben, der an die Wand gepinnt war, senkte seine runde, kahl werdende Stirn und flehte in Gedanken:
    Herr, hilf mir, hilf mir!
    In solchen Momenten fühlte er sich immer wie der kleine Junge von damals auf dem Fußballfeld hinter dem Waisenhaus für russische Kinder in Paris, das seine Großeltern während des Krieges führten und in dem er seine Kindheit verlebte. Ihm war, als stünde er wieder auf diesem Fußballfeld, in dem löchrigen Tor aus alten Seilen, wo man ihn als Jüngsten in Ermangelung eines richtigen Torwarts hingestellt hatte und wo er, völlig versteinert, seiner großen Schande harrte, weil er von vornherein wußte, daß er keinen einzigen Ball würde halten können.

8
    D er riesige Ljowa Gottlieb mit dem pechschwarzen Bart geleitete respektvoll einen schlanken, stattlichen Mann, ebenfalls groß und bärtig, aus dem Aufzug. Er sah aus wie Ljowa im Zerrspiegel: alles haargenau das gleiche, nur viermal schmaler. Irina hätte sich vor Lachen fast verschluckt, beherrschte sich aber schnell wieder. Ljowa entdeckte sie in der Menschenmenge sofort und tadelte sie in ehelichem Ton:
    »Ich hab doch gesagt, ich ruf dich nach dem Sabbat an, aber bei dir war nur der Anrufbeantworter dran. Ein Glück, daß ich mir die Adresse hier gleich aufgeschrieben hatte.«
    Irina schlug sich an die Stirn.
    »Ach du meine Güte! Ich hab ganz vergessen, daß das abends ist. Ich

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